Mit etwas Enttäuschung im Bauch fahren wir in Dresden ab, weiter elbabwärts. Bald merken wir, dass der Wind weder gedreht noch nachgelassen hat. Für die mit 128 km sehr lange Etappe ist das eine unangenehme Entdeckung. So geht es denn auch eher mühsam voran und wir sind froh um jeden Wald, der den Wind etwas abhält oder jede Biegung der Elbe, die dafür sorgt, dass der Wind uns nicht ganz frontal trifft. Die Etappe zieht sich hin und wir sind auf der Suche nach dem Reiz des Elberadweges. Wir fahren oft durch Industriegebiete, durch riesengrosse Monokulturen (meistens kilometerlange Felder mit Weizen) und sehen die Elbe nur selten. Ob wir die falsche Elbseite „erwischt“ haben? Wir wissen es nicht. Den ganzen Nachmittag hat Tinu versucht auf dem Camping in Prettin jemanden zu erreichen, um sichergehen zu können, dass es für uns eien Platz gibt. Auf beiden Nummern auf der Homepage nahm aber niemand das Telefon ab. Nach 126 Kilometer Kampf gegen den Wind erreichen wir Prettin um 18:20 Uhr und überlegen, ob wir uns wohl zuerst beim Camping anmelden oder zuerst einkaufen sollen. Wir entscheiden uns für letzteres und sind um 18:45 vor der Barriere des Campings. Beim Büro stehen die Öffnungszeiten der Rezeption: Bis 18:30 Uhr… Doch die Rettung in Form einer Platzwartin kommt! Sie muss bloss noch etwas trinken, weil sie einen strengen Tag hatte. Die Idee finden wir gut und tun es ihr gleich. So ist das Eis gebrochen, wir haben einen sympathischen Empfang und überlegen gemeinsam, warum es Sinn macht, dass die Übernachtungsgebühr mit der Karte bezahlt werden kann, die Duschmarken aber nicht (Resultat der Überlegungen: Die Chefin will es so!).
So verbringen wir einen wunderschönen Abend mit Sonnenuntergang über dem kleinen See.

Am nächsten Tag stehen etwas über 100 km auf dem Programm. Die Hoffnungen, der Wind könnte gedreht haben, verwehen rasch und so kämpfen wir einen weiteren Tag gegen den Wind. Die Landschaft wird immer schöner und es gibt immer wieder schöne Abschnitte direkt der Elbe entlang. Wir verstehen langsam, warum der Elberadweg so gut ausgebaut ist und warum es kaum einen Kilometer gibt, auf dem kein Schild auf „Eispause für Radler“, „Radfahrerfreundliche Pension“ oder „Abschliessbare Fahrradparkplätze“ hinweist. (Die Berge vermissen wir trotzdem ein wenig! Die rund 250 Höhemeter, die wir auf dem Elberadweg zusammenbekommen sind hauptsächlich Auf- und Abfahrten vom Elbdamm). So treffen wir denn auch immer wieder Radfahrer und kommen mit ihnen und anderen ins Gespräch. Am Abend erreichen wir Aken und das Zeltfeld direkt an der Elbe (näher geht kaum). Beim Kochen setzen sich zwei Radfahrerfamilien zu uns und es ergeben sich spannende Gespräche im Englisch-Deutsch-Slowenischen Sprachengemisch (zur Freude der Eltern und zum Leid der Jugendlichen, dass letztere ihr Schulenglisch auspacken mussten). (An dieser Stelle falls ihr es lest: It was eine Freude, euch to meet!)

Am nächsten Morgen die Überraschung für alle: Der Wind hat gedreht! Vorfreude und grosse Ziele was die Tagesdistanz angeht kommen auf. Wir bleiben bei den geplanten 100 Kilometern. Tatsächlich kommen wir viel besser vorwärts als die Tage zuvor und wir haben Spass zu fahren. Immer wieder treffen wir Leute, mit denen wir ins Gespräch kommen: Da ist zum Beispiel der sympathische Fährmann, der sich zuerst über den Anhänger, dann über die Tatsache, dass Tinu („der Mann“) mehr Kleider dabei hat als Monika („die Frau“) und zum Schluss darüber, dass man 3 Monate Urlaub machen kann wundert. Oder da ist die Frau vor der Bank, die uns von Herzen einen schönen Urlaub wünscht. Oder da ist der Franzose, der in Leipzig lebt und sich trotz Corona-Regeln zu uns an den Tisch setzt und sich ein spannendes Gespräch entwickelt (Z.B.: Was bedeutet Zeit? Radfahrer haben einen eigenen Zeitbegriff, weil man die Welt auf eine eigene Art und Weise bereist und entdeckt).
So kommen wir nach einem heissen Tag (Wir haben „nur“ 32°C, das scheint ja im Gegensatz zu dem, was wir aus der Schweiz hören, harmlos. Geschwitzt haben wir trotzdem!) in Bertingen auf dem wirklich tollen und wirklich radfahrerfreundlichen Campingplatz an. Die „weltbesten Schweizer“ erhalten einen besonders schönen Stellplatz. Und dann kommt der Regen! Nachdem wir während den vergangenen Wochen einmal etwa 3 Stunden und zweimal etwa 1 Stunde Regen hatten, ist das ein seltsames Gefühl. Im Zelt sind wir aber im Trockenen und geniessen die Tropfen.



Am nächsten Tag würden 133 Kilometer auf dem Tagesplan stehen. Bei strömendem Regen und Gewitter wollen wir uns das aber nicht antun und die Etappe zu kürzen erscheint uns nur bedingt sinnvoll, weil es für den weiteren Verlauf nichts bringen würde. So bleiben wir eine zweite Nacht in Bertingen und schmeissen unsere Pläne ein weiteres Mal komplett über den Haufen. Dazu aber das nächste Mal mehr. Kleiner Cliffhänger: Das das Ziel ist nicht mehr Kiel und Tinus Arbeitskollege hat etwas damit zu tun…