Kategorien
Norwegen - Schweden

10. bis 13. September – Oslo – Karlstad oder warum Monika sich im erfolglosen «Fliegenfischen einhändig» geübt hat

Es ist nicht so, dass wir uns auf die Fahrt durch Schweden nach Göteborg freuen wie auf ein Highlight in Norwegen. Eigentlich haben wir wenig Vorstellungen, auf was wir uns einlassen. Wir merken nur, dass es allmählich kalt (in der Nacht auch mal 2°C…) wird und sehen im Wetterbericht unbeständiges Wetter für die nächsten Tage. Trotzdem verwerfen wir die Option Fähre von Oslo nach Kiel und fahren los. Das Navi führt uns kreuz und quer durch die Stadt bis wir irgendeinmal bei einer Veloroute einfädeln, der wir ein gutes Stück folgen. Der erste Teil der Strecke ist von Industrie geprägt und entsprechend ist es mehr ein Kilometerfressen als ein landschaftlicher Genuss. Erst nach Bjørkelangen treffen wir auf eine wunderschöne Waldstrasse, die uns fast bis zum als Tagesziel auserkorenen Camping bringt.

Mittagsrast am schönen See bei Björkelangen

Dort angekommen finden wir eine leere Rezeption vor. Das ist nicht ungewöhnlich, deshalb rufen wir die angeschriebene Nummer an und erklären unsere Situation. Nachdem wir drei mal bestätigt haben, dass wir wirklich mit dem Zelt da seien, sagt der Campingwart, er «komme runter». Es dauert ein paar Minuten, da kommt ein Auto die Schotterstrasse zum Camping heruntergerast. Er inspiziert uns und vor allem unsere Fahrräder ziemlich genau und sagt dann «follow me!». Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, weil der Campingplatz sehr weitläufig ist und er die Geschwindigkeit von der Zufahrt zum Platz auch innerhalb der Schranken beibehält. Tinu nimmt die Verfolgung auf und es gelingt ihm den Abstand mindestens auf Sichtdistanz zu halten. Als das Auto hält und wir eine gefühlte Ewigkeit später aufgeholt haben, stehen wir auf einer Wiese am Ufer eines schönen Sees! Einen tollen Platz haben wir erhalten! Mit Karte bezahlen geht nicht. Wir geben ihm unser letztes norwegisches Bargeld (was eigentlich zu wenig ist, «ist aber egal, die Saison ist eh durch.») und alle sind zufrieden.

Am nächsten Morgen starten wir Richtung Schweden. Wir haben uns eine Route über die Grenze abseits der grossen Strassen ausgesucht und sind gespannt, wie wir in das für uns beide neue Land kommen. Zu Beginn fahren wir auf einer Teerstrasse immer ansteigend durch einen wunderschönen Wald. Die erste mögliche Abzweigung (eine vermeintliche Abkürzung) geben wir nach 50 Metern auf: im Schotter schwimmen wir mehr hin und her als das wir vorwärts kommen. So hoffen wir auf die etwas weniger kurze Alternative zum selben Grenzpunkt. Auch diese Strasse ist geschottert aber ganz gut zu fahren. Weiterhin fahren wir durch schöne Wälder und die «Achtung Elch»-Schilder lassen uns mehr auf eine Begegnung hoffen als dass wir angst haben vor einer Kollision. Nach einigen Kilometern erreichen wir die Grenze. Ein Willkommen-in-Schweden-Schild, mehr nicht. Keine COVID-Kontrolle, kein*e Grenzbeamte*r. Einige Tage später werden wir von einem Schweden erfahren, dass wir die sogenannte «alte Schmugglerroute» gefahren sind. Wir geniessen unsere ersten Schweden-Kilometer durch schöne Landschaft.

Die Etappe zieht sich hin und das Wetter wird von wunderschön zu grau-windig und einige Kilometer vor dem Ziel beginnt es stark zu regnen. Parallel zur Wetterkurve verläuft die Motivation bei Tinu. Vor dem Camping (wir haben uns mehrfach versichert und alle Quellen sagten aus, dass er geöffnet sei) fahren wir auf einer grosse Strasse. Der Verkehr nervt! Der Regen nervt! Schweden nervt! Es lebe die Oslo-Kiel-Fähre! Stimmungstiefpunkt. Noch nicht: Wir kommen beim Camping an. Kein Mensch weit und breit! Nach einer Weile kommt ein Golfwagen mit einer Frau, die auf uns zu kommt. Sie spricht kein Englisch, wir kein Schwedisch. Wir machen klar, dass wir Zelten wollen. Sie macht uns klar, dass der Camping für Zelte geschlossen sei. Wir zeigen auf den Tarifplan an der Tür, auf dem es bis Ende September Tarife für Zelte gibt. Sie ist ähnlich ratlos wie wir. Glücklich sehen wir einem zweiten Golfwagen entgegen, der auf uns zu fährt. Aber auch dieser Fahrer gehört zum Bewirtschaftungspersonal. Und auch er spricht kein Englisch. Die beiden machen uns klar, dass die Rezeption geschlossen und der Manager weit weg ist, der zweite Golfwagenfahrer telefoniert aber mit ihm. Der Manager lässt ausrichten, dass wir für 200 schwedische Kronen unser Zelt aufstellen können. Zudem brauchen wir 10-Kronen-Stücke, um zu duschen. Wir machen ihnen klar, dass wir kein Bargeld haben. Nun sind vier Personen ratlos. Wir ziehen uns zurück. Der nächste Geldautomat ist etwa 8 Kilometer entfernt und es regnet nach wie vor stark. Der Fahrer des zweiten Golfwagens kommt auf uns zu und sagt, wir sollen unser Zelt einfach aufstellen und nichts bezahlen, für das Duschen müssen wir aber Münzen auftreiben. Wir sind sicher, dass er damit gegen die Anweisung des Managers handelt und sind ihm sehr dankbar. Wir bauen unser Zelt auf. Es ist immer noch früh am Nachmittag, wir verschwinden im Zelt, hören dem Regen zu und blasen Trübsal. Weil auf der Homepage neben Öffnungszeihen auch etwas von einem geöffneten Shop stand, haben wir nichts eingekauft. Die Notration (Chicken Tikka Masala, gefriergetrocknet und vakuumverpackt) wäre die eine Option. Je 8 Kilometer nach Charlottenberg hin und zurück fahren, die andere. Weil der Regen aufhört, entscheiden wir uns für die zweite. So lässt sich auch das Dusch-Münzen-Problem lösen.
Also schwingen wir uns noch einmal in die Sättel und fahren los. Die Strasse ist stark befahren. Schon nach wenigen Metern überholt uns ein LKW trotz Gegenverkehr. Der Schreck sitzt und das Weiterfahren ist nicht gerade angenehm. Etwas weiter überholt uns ein anderes Fahrzeug sehr knapp, ohne dass dazu irgend ein Anlass gewesen wäre (gute Sicht, kein Gegenverkehr). Nun reicht es uns. Wir lassen unserem Ärger freien Lauf und geben dem Autofahrer oder der Autofahrerin mittels deutlicher Worte und Zeichen zu verstehen, was wir von seiner oder ihrer Fahrweise halten. Es ist im Nachhinein gesehen wohl besser, ist unsere Kommunikation nicht im Auto angekommen…
Als wir am Ziel sind, sind wir nudelfertig und etwas zwischen fasziniert und schockiert über das was wir nun sehen: Ein Einkaufszentrum, wie es in der Schweiz kaum existiert in einem kleinen Dorf, ein riesiger Parkplatz und noch mehr Leute. Google liefert die Erklärung dafür: Das Einkaufszentrum ist auf die Bedürfnisse der benachbarten Norweger*innen ausgelegt. Entsprechend gibt es viel Alkohol (weil massiv billiger als in Norwegen) und keinen Fisch ?weil die Norweger diesen selber haben) zu kaufen. Tatsächlich schleppen viele Besuchende paketweise Bier in ihre Autos mit norwegischen Nummernschildern. Ein Treiben, das uns befremdet. Trotzdem bekommen auch wir, was wir brauchen und machen uns nach einem einmaligen Znacht (einmalig weil wir uns beide nicht erinnern können, wann wir das letzte Mal bei Burger King gegessen haben) auf den Weg zurück der verhassten Strasse entlang zum Campingplatz. Nun scheint der Tagesplaggeist doch etwas Mitleid zu bekommen und wir kommen ohne grosse Schwierigkeiten oder fluchwortwürdigen Szenen zurück zum Camping. Dort setzen wir unsere hart erarbeiteten Münzen ein (Duschen hat kaum je so viel Spass gemacht!) und schlafen innert Kürze ein. Am nächsten Morgen erwachen wir ausgeschlafen. Heute geht die Fahrt zum eigentlichen Grund für die Routenwahl in Schweden: Kullerholmen. Dazu aber später. Zuerst müssen wir überhaupt dorthin kommen und der Weg dorthin führt zwingend über Charlottenberg, wo wir am Vortag widerwillig bereits einmal waren. Es erwartet uns also noch einmal die Strasse mit der wir seit dem Vorabend auf Kriegsfuss stehen. Und tatsächlich kommen die Stimmbänder noch einmal zu Einsatz. Bei Ankunft in Charlottenberg bemerkt Tinu in Norwegenerinnerungen schwelgend, dass – trotz vielen norwegischen Autos – sämtliche Autos oder LKWs, die uns unfreundlich überholten, schwedische Nummernschilder hatten. Nach dem Einkauf für die nächsten paar Tage geht die Fahrt weiter. Die Strasse ist sofort ruhiger und nach kurzer Zeit landschaftlich wunderschön. Viele Wälder und dazwischen immer wieder Seen. Trotz steilen Aufstiegen geniessen wir die Fahrt. Plötzlich mitten im Wald stoppt Monika abrupt: Sie hat ein gelbes Birkenblatt auf dem Waldboden entdeckt – denkt Tinu etwas irritiert. Doch nichts da: Monika hat ein schönes Nest(chen) (die Verniedlichungsform im Klammern wird sich in einem der nächsten Blogeinträge erklären…) mit wunderschönen Eierschwämm(ch)en (dito) gefunden. Ein perfekter Zusatz zu unserem Znacht! Und das obwohl sie perfekt getarnt waren! Hui da hat jemand ein Auge für die Delikatessen!

Kurz darauf erreichen wir den Ängsjön, einer von vielen Seen auf unserer heutigen Etappe und unser Tagesziel – so hoffen wir jedenfalls. Um zu wissen wie es dazu kam, ein kurzer Rückblick: (Gefühlt) lange ist es her, seit wir uns wegen starken Regens entschieden haben einen Tag länger auf dem Camping in einem ausgestorbenen niedersächsischen Dorf zu bleiben. Dabei haben wir den Franko-Leipziger Künstler Florent kennengelernt, der uns den Tipp und den genauen Standort einer einsamen Insel mit gemütlichem Häuschen in Schweden gegeben hat. Und diese Insel ist nun eben auf dem Ängsjön und genau an diesen See fahren wir gerade. Florent meinte, es gebe irgendwo am See ein Ruderboot und dort stehe eine Telefonnummer, die man anrufen könne, um das Häuschen zu reservieren. Also machen wir uns auf die Suche nach einem Boot (davon gibt es an jeder Ecke) und einer Telefonnummer am See, wobei Telefonnummer am See auch für Nadel im Heuhaufen stehen könnte. Wir finden nichts ausser einer Kiste mit Holz auf der Steht «Für Kullerholmen, bitte Transportbehälter zurückbringen». Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass es sich bei Kullerholmen um unser Ziel handelt. So beginnen wir auf gut Glück im Internet zu recherchieren wobei wir auch nach dem Namen Kullerholmen suchen. Tatsächlich stossen wir auf die Homepage des Fischereivereins und dort auf ein Onlinereservierungssystem. Erfreut sehen wir, dass die Hütte heute noch frei ist. Also reservieren wir sie. Die Bedingungen sind einfach: Die Hütte kann gratis für maximal eine Nacht benützt werden. Es muss lediglich ein Fischerpatent für einen Tag gelöst werden. Ein solches kann online mitgelöst werden und kostet 20 Kronen plus 8 Kronen Gebühr (ca. 3 Franken / Euro). So kommen wir also zu unserem ersten Fischerpatent und zu einer Nacht auf «unserer» Insel. Am nächsten Morgen rudern wir zurück an Land und laden das Gepäck wieder vom Boot auf die Fahrräder um. Da merkt Monika, dass sie ein Mail vom Fischereiverein erhalten hat. Wir müssen noch unsere allfälligen Fänge registrieren. Das kann man mittels Onlineformular problemlos machen und dabei sogar angeben, dass man – wie in unserem Fall – nichts gefangen hat. Man muss aber zwingend angeben, wie man es versucht hat. Weil «Zehen ins Wasser und schnell wieder rausziehen, weil es zu kalt ist» keine Option ist, wählt Monika aus den zum Teil skurrilen deutschen Übersetzungen kurzerhand «Fliegenfischen einhändig». Wir sind sicher, dass die Fischereivereinler*innen beeindruckt sein werden!

Nein es gibt keine Helmpflicht beim Rudern in Schweden. Tinu hat nur vergessen ihn auszuziehen…

Als die Fahrräder beladen sind, fahren wir los. Es geht auf einer abgelegenen Schotterstrasse durch schöne Wälder bergab. Traumhaft zu fahren. Und immer wieder werden wir von schönen Seen in ihren Bann gezogen. Spätestens jetzt muss auch Tinu zugeben, dass Schweden doch noch so seinen Reiz haben könnte…

Nach einiger Zeit ruft Tinu «Elch, Elch!». Und Tatsächlich rennen einige Meter vom Weg zwei Elchweibchen (sie hatten jedenfalls kein so imposantes Geweih, waren aber zweifellos Elche) davon. Wir sind von ihrer Grösse beeindruckt und freuen uns über das Naturspektakel.
Noch etwas weiter zweigt die schöne Nebenstrasse in eine etwas grössere und diese noch etwas weiter in eine Nationalstrasse. Dort ist zwar genügend Platz für uns Zweiradfahrende und auch der Verkehr ist ziemlich schwach, die Vorstellung dieser Strasse nun etwa 45 Kilometer bis nach Karlstad zu folgen, reizt dennoch nur wenig. So schauen wir uns auf Komoot nach Alternativen um und finden schöne Nebenstrassen fast ohne Verkehr. So erreichen wir entspannt den Camping in Karlstad, wo wir herzlich begrüsst werden (Monika meinte sogar, die Rezeptionistin habe mit Tinu geflirtet, was dieser allerdings gar nicht bemerkt hat…). Auf einer Karte wird uns die Zeltwiese gezeigt. Es gebe keine Platzzuteilung, wir können unser Zelt einfach auf einer freien Fläche aufstellen. Diese Anweisung überfordert uns. Trotzdem finden wir dann doch noch ein freies Plätzchen:

Wir haben dann doch noch einen Platz gefunden… 😉

Wir beschliessen, zwei Tage in Karlstad zu bleiben. So steht am nächsten Tag Waschen und Frisbeegolf an.

Kategorien
Norwegen

01.09. – 02.09. – Voss – Rallarvegen – Geilo oder wenn ein Ortsname der Etappe den Stempel aufdrückt

Rallarvegen
Im März 1894 beschloss das norwegische Parlament Storting, dass eine Eisenbahnverbindung zwischen Christiania (dem heutigen Oslo) und Bergen gebaut werden solle.
Da die Bahn über die damals weglose Hochfläche der Hardangervidda führen sollte, musste zuerst ein Weg gebaut werden, über den der Transport von Menschen und Material zu den Baustellen möglich war. Dazu wurde der Rallarvegen von den drei Orten Voss, Flåm und Geilo gebaut, der parallel zur danach fertiggestellten Bahntrasse errichtet wurde. Der Begriff setzt sich zusammen aus den Worten “Rallar” (Bahnarbeiter) und “Veien” (der Weg).
Nach der Eröffnung der Bergenbahn 1909 blieb der Weg bestehen und wurde bis zur Inbetriebnahme der Flåmsbana 1940 von Reisenden als Zugang vom Sognefjord zur Bergenbahn (Bahnhof Myrdal) genutzt.
Er wird heute als Rad- und Wanderweg genutzt.
(Quelle: Wikipedia)

Nachdem all unser Material wieder fahrbereit ist und uns der nationale Wetterdienst ein Schönwetterfenster von zwei Tagen verspricht, fahren wir am Dienstagmorgen in Voss los. Wir wissen, dass uns heute ein happiges Stück Arbeit erwartet: Der Aufstieg von Voss (ca. 50 M.ü.M.) nach Uppsete (ca. 840 M.ü.M.) mit einigen kürzeren oder längeren Abfahrten dazwischen dürfte ganz schön anstrengend werden. Es ergeben sich gemäss Komoot ca. 1100 Höhenmeter auf 44 km. Und dazu kommt, dass Uppsete eine Sackgasse ist. Von dort führt nur ein Zug 5 Minuten durch einen Tunnel nach Myrdal. Und dieser Zug fährt genau zweimal täglich: einmal zwischen 10 und 11 Uhr und einmal um 15:30 Uhr. Wenn wir den zweiten verpassen, müssen wir wohl oder übel in Uppsete übernachten und hätten am Mittwoch Stress, damit es uns am Donnerstag nicht einschneit.
So beginnen wir mit dem Aufstieg. Es fährt sich leicht und wir geniessen die schöne Natur und dass es – Sackgasse sei Dank – kaum Verkehr hat. Kaum Verkehr! Denn wie aus dem Nichts überholt uns ein Kleinbus mit Anhänger. Aus dem vorderen Fenster hängt jemand raus und ruft: „We know you, guys!“ Auf dem Anhänger sind die Raftingboote befestigt und der aus dem Fenster hängende, rufende Mensch war unser spanischer Raftingguide Danny! Schön euch noch einmal wiedergesehen zu haben! „Have Fun!“ rufen wir uns gegenseitig zu und fahren mit einem Lächeln weiter. Bald sehen wir die ersten Schneeberge. Schneeberg bedeutet hier ca. 1200 Meter über Meer. Mit grosser Vorfreude („Morgen sind wir auch dort oben!“) fahren wir weiter.

Einige Kilometer vor Uppsete wird die Teer- zur Schotterstrasse. Wir wissen da noch nicht, dass wir den Schotter bis am nächsten Abend nicht mehr gegen Teer austauschen werden und dass die mit Steinen und Absätzen gespickte „Fahr“bahn und noch fordern wird. Trotzdem kommen wir gut voran. Bei ca. 700 M.ü.M. überschreiten wir – uns immer vor Trollen in Acht nehmend – die Waldgrenze und die Landschaft wird offener und kahler (aber nicht weniger schön!).

Achtung Troll! Ob sie gefährlich wären, wissen wir nicht…

Kurz vor dem Bahnhof Uppsete geht es auf einmal nicht mehr weiter, der Weg ist von unbeeindruckt wiederkäuenden Schafen versperrt:

Doch auch die treten beim Anblick des Anhängerungeheuers müde zur Seite und so können wir durch das Weidegitter zum Bahnhof fahren. Es ist 14:50 Uhr, also ideal, um den Zug zu erwischen!
In einem Blog haben wir gelesen, dass „dem Lokführer mit deutlichen Handzeichen anzuzeigen ist, dass man einsteigen möchte“. So kaspert Tinu auf dem Perron herum, als der Zug in Sichtweite ist und tatsächlich hält er an. Wir steigen ein (fast ebenerdig, gar nicht schlecht für einen Bahnhof irgendwo im Nirgendwo!) und lösen beim Zugbegleiter die Tickets: 86 Kronen für die Menschen, 120 für die Fahrräder… (Der Einfachheit halber rechnen wir jeweils durch 10. Es waren also gut 20 Franken…). Wahrscheinlich wäre es günstiger gekommen, wenn wir die Fahrräder auf einen Sitz gehievt hätten… Die 5 Minuten Tunnel sind schnell durch und wir sind in Myrdal. Die Flåmsbahn lassen wir links liegen (wir haben uns kurz überlegt nach Flåm runter zu fahren und mit dem Zug wieder hoch. Diese Projekt haben wir aber in Anbetracht der hohen Kosten rasch ad acta gelegt. (auch hier ist der Umrechnungskurs einfach: 5 Minuten Tunnel kosten 20 Franken, 40 Minuten Flåmsbahn kosten noch viel mehr zu viel…)). So fahren wir zuerst steil den Schotter runter und schieben auf der anderen Seite wieder hoch zum Berghotel, das wir ebenfalls links liegen lassen. Von da geht es wieder im Sattel zu zwei schönen Seen. Nach dem Kartenstudium sollte es am Ende des zweiten Sees eine zum Zelten geeignete Fläche geben. Tatsächlich sieht es perfekt aus. Etwas verunsichert über ein norwegisches Plakat an einem Zaun (der Handyübersetzer benötigt Internetverbindung und die gibt es hier nicht…), fragen wir bei einem vorbeikommenden Quadfahrer nach, ob wir hier zelten dürfen. Er nickt und fährt weiter. Topp, wir haben einen perfekten Platz gefunden! Nun noch durch das Tor und dann ein schönes Plätzchen suchen, das noch etwas an der Sonne ist. Gesagt getan folgen wir dem Weg in ein lichtes Wäldchen und biegen dann auf einen schmalen Pfad ab. Da gibt es eine perfekte Fläche für unser Zelt. Wir steigen ab und wollen gerade mit dem Abladen beginnen da tönt es aus der Ferne. Was ist das? Plötzlich kommt eine ganze Herde Kühe (jung und alt, Stier und Kuh) gerade auf uns zu gerannt. Sie stoppen kurz vor uns und ein Teil der Tiere umrundet uns mit etwas Distanz. Super, jetzt sind wir von Kühen umzingelt! Ein junger Stier interessiert sich für Tinus Velo und schnüffelt am Vorderrad. Es scheint aber nicht spannend genug, um zu bleiben. So zieht die Gruppe weiter. Uff! Zum Übernachten brauchen wir aber wohl einen anderen Ort… Wir könnten zurückfahren, wo wir am See den einen oder anderen Platz gesehen haben, allerdings müssten wir bereits im Schatten kochen. Oder wir fahren auf gut Glück weiter, obwohl es ab hier steil wird, was gute Stellplätze normalerweise rar macht. Wir entscheiden uns fürs Weiterfahren und nehmen die nächste Steigung in Angriff. Als wir oben sind, rauscht ein Bach direkt am Weg vorbei und etwas weiter vorne gibt es eine perfekte Fläche für unser Zelt. Was für ein Traumplatz! Wir danken heimlich den Kühen und stellen unser Zelt auf. Nach einem eiskalten Bad im Fluss sind wir sauber und geniessen bei Pasta mit Tomatensauce das wunderschöne Abendlicht. Gegen die Mücken gibt es (im Gegensatz zu Kühen) einen guten Spray und so bleiben uns auch diese fern.
Wir haben den wohl schönsten Platz unserer Reise gefunden! Wow!

Am nächsten Morgen nach einer (dank guter Ausrüstung nur ausserhalb der Schlafsäcke) kalten Nacht und einem Bergkaffee aus der Bialetti machen wir uns auf den Weg zur Königsetappe unserer Tour. (Das mag gemessen an der Höhe nicht ganz stimmen – Albula- und Pragelpass waren höher – aber im Rückblick kann nur diese die Königsetappe sein!)

Bialetti-Romantik

Für das nun folgende Worte zu finden, ist nicht ganz einfach. Deshalb lassen wir die Bilder für uns sprechen und ergänzen das eine oder andere zu den Bildern:

Im Aufstieg, kurz nach unserem Schlafplatz
Schnee! Erst mal nur neben dem Weg…
…dann auf dem Weg…
…und dann statt Weg!
Bald sind wir oben!
Sie habens ohne Defekt geschafft! Höchster Punkt des Rallarvegen: 1345 m.ü.M. …
…Wir auch!
Ab“fahrt“ nach dem höchsten Punkt
Obelix hätte seine Freude… (nicht nur er!)
Einfach nur schön!

Ab Finse stossen wir immer mehr auf Zivilisation und fahren – immer noch auf Schotter – weiter Richtung Haugastøl. Der Wind plagt uns meist von vorne und wir spüren die Höhenmeter und den anstrengenden Weg in den Beinen. In Haugastøl gibt es ein Hotel und wir sind schon auf dem Weg zur Rezeption als wir uns kurzfristig entscheiden, die 20 km bis Geilo doch noch zu fahren, was unserer Etappe – mindestens umgangssprachlich gesehen – den idealen Endpunkt geben würde. Es folgen 10 anstrengende, norwegisch flache Kilometer der viel befahrenen Hauptstrasse entlang, bevor es auf 10 abschliessenden Kilometern über 300 Meter nach unten geht. Weil es schon dämmert, setzen wir für letzteres unsere Leuchtwesten und geniessen die schöne Abfahrt. In Geilo angekommen – es ist mittlerweile 19:00 Uhr – finden wir ein kleines unscheinbares Restaurant. Die Burger sind eine positive Überraschung und die Bierberatung ist grandios! Wir sind begeistert!
Nach dem Essen kaufen wir uns etwas zum Frühstück (die Ladenöffungszeiten in Norwegen haben uns schon das eine oder andere Mal zum Denken angeregt: Kaum ein Geschäft schliesst vor 21:00, viele erst um 23:00 Uhr) und fahren zum Camping bei dem wir uns vorher schon über die Öffnungszeiten (Check-in rund um die Uhr, Rezeption bis 22:00) erkundigt haben. Unglaublich müde aber ebenso zufrieden nehmen wir eine Dusche und sind kaum im Schlafsack bereits eingeschlafen.
Diese zwei Tage gehören zum schönsten und eindrücklichsten, was wir erlebt haben!
P.S. Das Plakat am Weidetor haben wir später noch übersetzt. Es heisst: «Weidende Rinder. Bitte in Ruhe lassen!»

Kategorien
Norwegen

26. – 28. August – Bergen – Evanger oder warum Plastik gesünder ist als Gemüse

Es hat sich so eingependelt, dass wir in grösseren Städten jeweils einen Pausentag einlegen. So kommt es, dass wir kurz nach Stavanger in Bergen schon wieder zwei Nächte bleiben. Auch von Bergen wissen wir nicht viel mehr, als dass es die (selbsternannte?) «regenreichste Stadt der Welt» ist. Es ist je nach Quelle von 200 bis 257 Regentagen pro Jahr die Rede.
Neben einigen Besorgungen (beim Wasserfilter, den wir in den nächsten Tagen brauchen dürften, haben sich die Dichtungen nach Jahren des Nichtgebrauchs verabschiedet), wollen wir ein wenig Sightseeing betreiben und uns langsam konkrete Gedanken über die Rückkehr in die Schweiz machen. Zu letzterem entscheiden wir, dass wir über den Rallarvegen zurück Richtung Oslo fahren wollen. Dann je nach verbleibender Zeit mit der Fähre direkt ab Oslo nach Kiel oder mit dem Fahrrad weiter nach Göteborg und von da auf dem Wasserweg weiter nach Kiel fahren. Ab Kiel sollte es in zwei Fahrradtagen machbar sein, nach Hamburg zu gelangen, wo uns am 26. September der Nachtzug nach Basel erwartet. Am Sonntag, 27. September gegen Mittag fahren wir mit den Velos in zwei Etappen von Basel in unser neues Zuhause nach Oberlindach. Mehr oder weniger trainierte Mitfahrer*innen sind auf diesen zwei Schlussetappen oder auf einem Teil davon herzlich willkommen! Die Route werden wir noch bekannt geben.

Nun aber zurück zu dem, was wir bereits erlebt haben: Bergen zeigt sich uns am velofreien Tag von seiner besten Seite: Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel und die bekannten Fotomotive Bergens lassen sich nur all zu gut ablichten.

Wir entscheiden uns, einen Ausflug auf den Fløyen zu machen (in Bern wäre das mit einer Fahrt auf den Hausberg Gurten zu vergleichen…) und essen dort von Wespen umschwärmt zu Mittag.

Der Einkaufstrip ins Sportgeschäft, in dem es von Fahrrädern über Angelausrüstung bis Waffen einfach alles gibt, finden wir auch das Ersatzteil für unseren Wasserfilter. Angesichts der Verpackung ein Teil, nachdem seit Jahrzehnten niemand mehr gesucht hat. Die Gratiskonzerte in der Grieghalle sind leider ausgebucht (schade, Tschaikowsky’s 5. Symphonie hätte mindestens der gerade schreibenden Hälfte von TiMonTour gefallen!) So suchen wir uns ein Restaurant und finden uns vor einer vollbepackten äthiopischen Injera wieder. Afrika in Norwegen, warum nicht!? Am nächsten Morgen fahren wir los. Wir wissen, dass wir am Abend wildcampen müssen (oder dürfen – nicht alle freuen sich gleich darauf) und haben darum für heute kein Tagesziel. Die Route geplant haben wir bis Dale: 75 km und 1770 Höhemeter kündigt Komoot uns an. Wir sind sicher, dass wir das nicht an einem Tag schaffen werden. Dazu kommt, dass es für die Strecke von Trengereid nach Vaksdal keine Veloroute gibt, weil der Autotunnel für Fahrräder gesperrt ist. Wir haben über diese ca. 12 Kilometer lange Zeit recherchiert. Die Quellen sind spärlich. Die offizielle Route hört in Trengereid auf und beginnt in Vaksdal wieder. Für diese Strecke den Zug zu nehmen ist eine Option, auf die wir immer wieder stossen. Ein genialer Kopf betreibt allerdings ein Portal, auf dem sämtliche norwegischen Tunnels aufgelistet sind sowie deren Befahrbarkeit für Fahrräder (verboten, ungeeignet, frei oder nicht dokumentiert). Beim Tunnel, den wir nicht nehmen können/dürfen, finden wir unter Alternativen zum Tunnel folgende Info:

„…oder, auf dein eigenes Risiko, benutze den Raudbergtunnelen und gehe weiter nach Vaksdal via der alten Zugstrecke, welche sehr rau und durch mehrere alte und unbeleuchtete Zugtunnels führt.“

Bevor wir uns aber entscheiden müssen, ob wir uns auf eigenes Risiko ins Abenteuer stürzen oder nicht, müssen wir nach Trengereid kommen. Der Weg führt uns zuerst durch die Agglo von Bergen, an etlichen riesigen Einkaufszentren vorbei und dann auf einer schönen alten Strasse dem Fjord entlang. Bald wird uns klar, dass Komoot für einmal mit den Höhenmetern massiv übertrieben hat (eine prognostizierte Steigung von 21% stellt sich als flacher Abschnitt heraus…). So kommen wir bestens vorwärts und erreichen zur Mittagszeit Trengereid. Wir setzen uns in die Bushaltestelle und verspeisen unseren Lachs, als ein Fahrradfahrer vorbeikommt. Er hält an und wir kommen ins Gespräch. Er sagt uns, dass er die Route durch den alten Eisenbahntunnel nicht kenne, findet aber, wir sollen es doch versuchen. Dann schmeisst er einen grossen, gefüllten Sack in den öffentlichen Abfall. Er meint, er müsse jeden Tag diese Strecke fahren und halte es nicht aus, wie die Leute das wohl schönste Land der Welt so zumüllen können. Deshalb sammle er täglich alles Plastik, das er finde ein und schmeisse es ordentlich weg. Er treffe immer wieder auf Moralapostel, die ihm sagen, es sei wichtig, fünf Portionen Früchte und Gemüse pro Tag zu essen, um gesund zu bleiben. Er sehe das anders: «Pick 5 plastics a day and you start to feel really healthy!». («Sammle 5 Plastik ein pro Tag und du fühlst dich wirklich gesund!») Hut ab vor einer solchen Einstellung! (Gewisse TiMonTour-Elternteile könnten sich an dieser Stelle nun Sorgen über unseren Vitaminhaushalt machen… Wir können beruhigen und versichern, dass wir diese Lebensweisheit ergänzend zu unserem Gemüse- und Früchtekonsum sehen und nicht in Konkurrenz dazu.) Nach diesem spannenden Gespräch fahren wir los. Wir haben uns entschieden, den Versuch zu wagen und uns mit Stirnlampen bewaffnet ins Abenteuer zu stürzen. Nach einem ersten gut zu befahrenden Tunnel, stechen wir auf einen unscheinbaren Weg in den Wald ein und fahren durch hüfthohes Gras Richtung Fjord hinunter. Kurz bevor wir unten sind, ist der Weg ausgewaschen und in den Bach auf der Seite abgebrochen. Gut 20 Meter über Steine und Äste. Zu Fuss kein Problem, aber mit den Fahrrädern und dem ganzen Gepäck?

Tinu geht einmal rekognoszieren, wie es nach der Stelle weitergehen würde. Fazit: bis ca. 15 Meter in den Tunnel rein sollte es kein Problem sein, danach herrscht 1,5 Kilometer Dunkel- und deshalb Ungewissheit.

Wir entscheiden, trotzdem zu gehen und tragen die Fahrräder über Stock und Stein, immer schauend, dass weder Fahrerin noch Gefährt in den Bach abrutschen, zum Tunneleingang.

Dort angekommen werden die Stirnlampen an den Helmen befestigt und wir fahren los. Die Schotter der ehemaligen Bahnstrecke dienen als Fahrunterlage, was das Fahren nicht besonders angenehm macht. So entscheiden wir, die Räder zu schieben. Immer wieder tropft es von oben oder wir müssen tiefere und weniger tiefere Pfützen im Tunnelboden umgehen. Schneller als erwartet sehen wir plötzlich Licht am Ende des Tunnels. Als wir dem Licht immer näher kommen, sehen wir, dass es sich nur um einen Lichtschacht handelt und dass der Weiterweg danach gleich wieder in der Dunkelheit verschwindet. Bevor wir weitergehen bestaunen wir die verrosteten alten Lastwagen, die einfach hier abgestellt wurden.

Nun tauchen wir also wieder in die Dunkelheit… Als nach einer Weile dann noch einmal ein Licht erscheint und näher kommt, sind wir tatsächlich draussen. Das war spannend!

Das Abenteuer ist aber noch nicht zu Ende. Der Weg führt auf dem alten Eisenbahntrassee manchmal durch und manchmal neben alten Tunnels. Manchmal stehen grössere oder kleinere Hürden im Weg, die wir um- oder überfahren müssen und manchmal wird uns beim Blick nach unten zum Fjord mulmig.

Als wir wieder auf der aus dem Autotunnel kommenden Hauptstrasse ankommen, sind wir erleichtert, aber auch froh, das Abenteuer gewagt zu haben.
Der weitere Weg dem Fjord entlang nach Dale führt zu einem grossen Teil der vielbefahrenen Hauptstrasse entlang. Wir sind uns einig, dass wir dies noch so gerne gegen einen Holperweg austauschen würden…
Wir erreichen Dale viel früher als erwartet und fahren – immer nach einem zeltkompatiblen Platz ausschauhaltend – weiter. Die Route biegt bald von der Hauptstrasse ab und wir fahren auf einer verlassenen, wunderschönen Fjordstrasse norwegisch flach weiter. Auf der Karte sieht es so aus, wie wenn es beim Fjordende etwas flacher und somit das Zeltaufbauen möglich sein sollte. Kurz bevor wir das Fjordende erreichen – wir haben gerade TiMonTour’s 3000. Kilometer gefahren – schiesst direkt neben der Strasse ein Wasserfall ins Tal. Direkt daneben gibt es eine Grillstelle mit einem Stück Gras, wo unser Zelt hinpasst. Trotz Wassergetöse (das lässt sich ganz schnell ausblenden…) stellen wir unser Zelt hier auf.

Die 3000 km sind geschafft!

Weil der Wasserhahn, den wir uns vom Campingplatz gewohnt sind, fehlt, pumpen wir Wasserfallwasser durch unseren Wasserfilter, um kochen zu können.

Neben dem Wasserfilterersatzteil haben wir im XXL-Sportgeschäft auch einen neuen Reifen für Tinu’s Fahrrad gekauft. Nicht weil er platt war, sondern weil das Profil komplett durch war (die Reifen haben letztes Jahr bereits über 1500 km Schottland hinter sich gebracht…). So montiert Tinu am Morgen den neuen Reifen, bringt aber mit der kleinen Reisepumpe gerade mal 1.6 Bar hinein. Wer schon einmal längere Strecken mit tiefem Reifendruck gefahren ist, kann sich vorstellen, dass die nächsten Kilometer kein Genuss waren. So halten wir beim ersten Haus an (eine Busgarage) und erhalten den Druckluftschlauch in die Hände gedrückt. Perfekt – denken wir. Busse scheinen konsequent mit 1.8 Bar zu fahren. Mehr gibt die Pumpe nämlich nicht her. Es erwartet uns eine Steigung vom Fjordende (0 m) auf über 700 Meter und Tinu möchte mindestens ein wenig mehr Luft im Reifen. Deshalb halten wir beim nächsten Haus wieder an und gleich fährt ein Auto herbei. Wir fragen den Fahrer in Englisch, ob er eine Pumpe habe und er antwortet auf Deutsch er sei vor vier Jahren aus Deutschland hierhergezogen und die Pumpe hole er gleich. Er fragt, wie wir hierhergekommen seien und als wir es ihm erzählen, meint er, wir seien die zweitverrücktesten Radfahrer von denen er gehört habe. Auf die nicht ganz ernst gemeinte Frage, wie wir denn die verrücktesten werden könnten, meint er, er habe in einer TV-Dokumentation einmal einen Fahrradfahrer gesehen, der durch den Schnee in Sibirien gefahren sei… TiMonTour ist sich einig, dass wir mit diesem – durchaus schmeichelhaften – zweiten Platz ganz gut leben können…
Mit vollen Reifen fahren wir durch schönste Landschaft immer aufwärts.

Als uns ein knalltürkisfarbener (wer noch nie von knalltürkis gehört hat: es gibt die Farbe, wir haben’s gesehen!) Porsche mit Deutschem Kennzeichen überholt, lächeln wir über die ungewohnte Farbe. Bei einem schönen Wasserfall steht der Porsche und die beiden Fahrer stehen davor und fotografieren. Wir halten auch an und kommen ins Gespräch. Die beiden mieten beim Fahrradpumpenausleiher eine Ferienwohnung und sie haben bereits von den zweitverrücktesten Velofahrern gehört. Sie sind beeindruckt und erklären, dass sie zurzeit im Angelsport genügend Herausforderung sehen. Wir fahren von der sympathischen Begegnung erfreut weiter und geniessen die Landschaft. Nach einigen Kilometern treffen wir wieder auf den auffälligen Farbtupfer in der Natur und kurz darauf einerseits auf ein Ortsschild, andererseits auf die beiden bisher erfolglosen Porschefahrer-Angler. Wir kommen erneut ins Gespräch und sie beneiden uns, dass wir unser Zmittag nicht erst fangen müssen. Das Ortsschild «Binningebø» erfreut sie ebenso wie uns, nachdem wir ihnen erklärt haben, dass Tinu’s computeraffine Grossmutter und mit über 80 wohl die älteste Blog-Leserin, in Binningen wohnt. (Wir freuen uns nach fast jedem Blogeintrag über einen Whatsapp-Gruss aus dem Baselbiet. An dieser Stelle: Ganz liebe Grüsse aus Norwegen, Grossmami!) Kurzerhand bieten uns die Porschefahrer an, ein Bild mit uns und dem Ortsschild zu machen.

Nach einer Diskussion, ob eine Tour wie unsere in ihrem Alter (20 Jahre älter) möglich wäre (sie finden Nein, weil ihnen in unserem Alter noch nichts weh getan hätte), fahren wir weiter. Als wir Mittagspause machen überholen sie uns wieder und wenig später wir sie noch ein letztes Mal. Welch ein freundlicher Austausch! Und wir geben zu, dass wir mit dieser Begegnung unsere Vorurteile gegenüber Porschefahrern ziemlich deutlich vor Augen gehalten bekamen.
Wir fahren weiter den Berg hoch und erreichen die Passhöhe. Welch traumhafte Landschaft!
Nach etwas Fotoshooting nehmen wir die Abfahrt unter die Räder.

Kurz bevor wir wieder am Fjord sind, erreichen wir den Camping in Evanger. Eigentlich wollten wir bis Voss durchziehen, aber der Camping gefällt uns so gut, dass wir kurzfristig entscheiden, dort zu bleiben. Wir werden die Entscheidung nicht bereuen. Denn wieder einmal durften wir eine spannende und inspirierende Begegnung erleben…
So steigen wir vom Fahrrad. Die über 1000 Höhenmeter spüren wir in jedem Muskel, was uns schmunzelnd an die Porschefahrer denken lässt…

Kategorien
Norwegen

22. – 25. August – Stavanger – Bergen oder warum man in Norwegen im Paris italienisch essen kann

Nach der eindrücklichen Etappe gestern und dem herzlichen Empfang im Stavanger Bed and Breakfast wollen wir es heute ein wenig ruhiger angehen und die Stadt, die uns sofort gefällt, etwas näher unter die Lupe nehmen.
Dafür laden wir uns einen virtuellen Reiseführer runter und gehen ausgerüstet mit Ohrstöpseln durch die Gassen. Stavanger ist eine Stadt, von der wir beide vorher noch nie etwas gehört haben und wir können entsprechend vorurteilslos drauflosgehen. Wir entdecken eine Stadt, die viel Kultur beherbergt (Streetart, Klassik…), eine Stadt, die multikulturell ist, in der sogar wir mehrere Optionen haben, um essen zu gehen und eine Stadt, in der der norwegische Öl-Boom seinen Start fand.
Einen weiteren tollen Eindruck erhalten wir beim Spazieren durch die wunderschöne Holzhäuseraltstadt.

Etwas Mühe bereitet es uns, herauszufinden wie es am nächsten Tag weiter gehen soll: Die nationale Fahrradroute 1 geht mit der Fähre weiter. Diese Fähre wurde aber Ende 2019 durch einen (weiteren von über 1000) Tunnel ersetzt und sie fährt nicht mehr. Da kann uns nicht einmal die Hausherrin unseres BnB weiterhelfen, die anderen Reisenden die Fahrzeitauskünfte der Busse und Fähren aus dem Kopf gibt. Wir recherchieren und finden ein Schnellboot von Stavanger nach Nedstrand, wo die Route ebenfalls vorbeiführt. Glück gehabt! Andernfalls hätten wir wohl bei einem Buschauffeur „Bittibätti“ machen müssen, dass er uns mit allem was dazugehört mitfahren lässt (die Aussagen darüber, ob Fahrräder im Bus erlaubt sind oder nicht, gehen auseinander…).
Von Nedstrand geht die Route «norwegisch flach» (höchster Punkt 70 M.ü.M. und trotzdem über 700 Höhemeter auf 50 km…) weiter durch schöne Natur mit viel Wald und wenig Verkehr. Am Abend (das Schiff fuhr um 12:30 ab Stavanger und wir hatten 54 km zu fahren) erreichen wir Haugesund, wo wir auf dem Camping «den Stellplatz mit der besten Aussicht auf das Meer» erhalten. (Etwas erstaunt waren wir schon, weil der Campervan vor uns auch schon genau diesen Platz erhalten hat…). Dass das Beste auch seinen Preis hat, merken wir, als der Rezeptionsmensch diesen nennt: wir bezahlen mehr als das dreifache als auf anderen Campings in Norwegen. Aber: Die Aussicht war wirklich gut!

Den nächsten Tag starteten wir mit einer kleinen Challenge: wir haben gut 25 km bis zur Fähre und diese fährt alle 60 Minuten. Weil wir noch nichts zu Essen haben, planen wir die 11:30-Fähre zu erwischen. Weil der Regen uns beim Zeltzusammenbau mal wieder einen Strich durch die Rechnung macht, bleiben uns dafür 1,5 Stunden. Zu Beginn sind wir uns nicht ganz einig, ob überhaupt eine Chance besteht und deshalb öffnet sich zwischen uns bald einmal eine Lücke, bis wir entscheiden, dass es nicht reicht. So fahren wir im Geniesser*innentempo weiter und merken plötzlich, dass es doch noch reichen könnte. Um 11:24 sind wir bei der Fähre und rollen direkt drauf. Und gleich nach der 20-minütigen Überfahrt gibt es eine Einkaufs- und eine tolle Essgelegenheit. Über eindrückliche Brücken fahren wir von Insel zu Insel und landen schliesslich in Leirvik.

Der Campingplatz befindet sich etwas abseits des Zentrums auf einer Art Halbinsel. Um dort hinzukommen, dürfen wir noch einmal eine ultrasteile Strasse hoch und auf der anderen Seite wieder runter fahren. Mit erneut über 1000 Höhenmetern in den Beinen, freuen wir uns nicht besonders über diese abschliessenden und nicht einkalkulierten Steigungsprozente. Dass uns da auch noch eine alte Klapperkiste so kriminell überholen muss, dass der Gegenverkehr abrupt bremsen muss, um eine Frontalkollision zu vermieden oder uns in Gefahr zu bringen, nervt uns noch einmal mehr! Beide TiMonTours tun ihre Stimmung mit eindeutigen Handzeichen (Hand- nicht Fingerzeichen…) kund. Der Klapperkistenfahrer sieht dies und zeigt uns, ebenfalls mit Handzeichen und ähnlich eindeutig, dass er mit unserer Situationsanalyse nicht einverstanden ist. Glücklich, dass ausser Ärger nichts passiert ist und froh über die baldige Ankunft, nehmen wir die letzten Meter unter die Räder. Beim Camping angekommen, treffen wir auf einen sehr kühlen Empfang. Man könnte fast meinen, der Platzwart sei über unsere Ankunft nicht besonders erfreut (was überraschend ist, denn es gibt kaum andere Gäste auf dem Camping und da dürfte er sich eigentlich über die 150 Kronen freuen…). Die Erklärung für den speziellen Empfang steht bei der Rezeption um die Ecke: Auf dem Parkplatz steht DIE Klapperkiste und der Rezeptionist war der Klapperkistenfahrer mit der sich von der unseren unterscheidenden Strassenregelauffassung. Nach der leichten Verunsicherung (wollen wir HIER bleiben?) beginnen wir über die Situation zu lachen und freuen uns bereits auf den Blogeintrag darüber.

Am nächsten Tag wollen wir Bergen erreichen. Das einzige was uns klar ist, ist dass dafür mindestens eine Fährüberfahrt nötig ist. Die restlichen Möglichkeiten gehen aber deutlich auseinander: Kurze Strecke und Agglo umfahren dafür viel bezahlen für das Schnellboot direkt in die Stadt? Sehr flexible Fähre (alle 20 Minuten) und dafür über einen «hohen» (240 m.ü.M.) Berg und durch die Agglo oder gleich den ganzen Weg mit dem Boot zurücklegen? Die letzte Möglichkeit schliessen wir trotz einseitiger Regen- und Höhemetermüdigkeit aus. Wir sagen, wenn es auf die 12:50-Fähre reicht, fahren wir mit dem Schiff von der nächsten Insel direkt bis ins Zentrum. Sollte es aber nicht reichen, warten wir nicht bis am Abend auf das nächste Schiff nach Bergen, sondern nehmen von demselben Ort die flexiblere Fähre. Wir fahren also los und erreichen den Fährhof (sagt man einem Ort, wo viele Fähren fahren analog zum Bahnhof wirklich Fährhof? Wir wissen es nicht, gehen aber davon aus, dass der Leser oder die Leserin dieses Textes, weiss was damit gemeint sein soll… Anm. der Gegenleserin: sie würde diesen Hof eher Hafen nennen…) um 12:44. Kurzfristig entscheiden wir uns, doch die Alle-20-Minuten-Fähre zu nehmen und bis in die Stadt rein zu fahren. Vor lauter Faszination über das Fährtreiben am Fährhof lassen wir eine Fähre ziehen und nehmen die nächste, die ihre 45-minütige Überfahrt sekundengenau beginnt. Wir sind gleich noch einmal beeindruckt und machen uns auf den Weg nach einem Ticketschalter (etwas, das wir bei zwei vorherigen Fähren auch schon erfolglos getan haben…). Wieder finden wir nichts. Weitere 45 Minuten des Schwarzfahreringefühls sind uns dann aber doch zu viel. Wir fragen im Bistro nach. Unser Gesicht, als die Dame dort sagt, es sei gratis, scheint sie aber zu verunsichern und sie fragt beim Captain nach: Ja, Fahrradfahrer sind inklusive ihrer fahrbaren Untersätzen gratis und das auf den meisten Autofähren. Wir finden das eine schlaue Verwendung der (so sagen uns alle) sehr hohen Steuern und kaufen uns zur Feier des Tages einen norwegischen Kaffee (dazu später…) und ein Schoggimuffin.
Der Rest der Etappe ist schneller erzählt als gefahren: Der 240m-Pass fährt sich leichter als erwartet und durch die Agglo von Bergen führt ein perfekter Velohighway (noch mehr schlaue Ideen, wie man sinnvoll mit Steuereinnahmen umgehen kann). Wir erreichen unser Hotel «Citybox» problemlos und checken in das Smarthotel (= der Gast macht vom Check-in über das Frühstück und den Check-out alles selber) ein. Das Problem, dass auf dem ausgedruckten Blatt eine andere Zimmernummer steht als der Check-in-Computer uns mitteilt, lässt sich leicht lösen (der Vor-uns-Check-in-Benutzer hat sein Blatt vergessen und wir haben dieses gefunden). Die Frage, wo wir unsere Fahrräder parken können, kann uns keine Maschine mitteilen, da braucht es Menschen. Tatsächlich finden wir nach kurzer Suche «so jemanden» und werden in den 5. Stock auf die Plattform der Nottreppe geführt. Ein guter Platz für unser Wichtigstes!
Wir fahren unsere Velos über den Teppich direkt vor unsere Zimmertüre, um das Gepäck zu verstauen und anschliessend mit dem Lift in den 5. Stock.
Nach der wohltuenden Dusche machen wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Monika hat auf Tripadvisor vorsondiert und ist auf ein kleines Restaurant mit italienisch-norwegischer Karte gestossen. Wir gehen rein und werden zurückhaltend-freundlich vom Chef de Service empfangen. Wir bestellen bei ihm unsere Getränke, die er gleich selber vorbereitet. Nachdem wir auch das Essen bestellt haben, geht er in die Küche und bereitet auch unser Essen gleich selber zu. Dazwischen plaudert er ein wenig mit uns und freut sich so sehr, dass er mit uns Französisch sprechen kann, dass er uns gleich noch ein (natürlich selbst zubereitetes) Dessert spendiert. Als wir dazu Kaffee bestellen, erklärt er uns entschuldigend, dass er nur norwegischen Kaffee habe und keinen «richtigen». (Wenn wir norwegischen Kaffee nachkochen müssten, würden wir einen dünnen Filterkaffee kochen und diesen dann noch einmal verdünnen… Es lebe unsere Bialetti!). Er erzählt uns, dass er vor über 20 Jahren aus Paris eingewandert ist und nun in Bergen lebt. Als Omage an seine Herkunft und mit Anspielung auf die italienischen Gerichte, heisst sein Restaurant nun «Bella Paris»…

Kategorien
Dänemark - Norwegen

5. bis 10. August – Grenze Dänemark – Kopenhagen oder ein Kindervelo für die Jubilarin

Nach der überraschend einfachen Ankunft in Dänemark fahren wir gleich noch 25 Kilometer ins Land hinein, weil wir die gebuchte Jugendherberge in Nykøbing Falster erreichen wollen. Nach zwei Kilometern erreichen wir das zweite Jubiläum auf unserer Tour: die 2000 Kilometer sind geschafft!

Der starke Rückenwind bläst uns ins Land hinein und wir fahren teilweise mit 30 km/h über das flache Land. So macht’s Spass! In Nykøbing angekommen beziehen wir ein schönes Zimmer und finden im Städtchen etwas zu Essen. Die Stimmung ist gut und wir freuen uns endlich in Skandinavien angekommen zu sein.
Auch am nächsten Morgen verwöhnt uns der Wind und lässt uns die ersten Kilometer praktisch rasend zurücklegen. Als wir bei der schönen Holzfähre, die uns von der Insel Falster zur Insel Møn bringt, ankommen haben wir erneut Glück: wir warten keine 10 Minuten auf die Abfahrt der stündlich verkehrenden Fähre.

Weiter fahren wir hauptsächlich über Nebenstrassen, aber bei heissen Temperaturen (O-Ton einer etwas älteren Dänin vor dem Supermarkt: „You have to drink a lot, it’s hot!“ wir: „Yes we know and we did drink a lot!“ sie: „But I mean water!“). Der Wind kommt jetzt von der Seite, wir kommen nicht mehr gleich schnell vorwärts und die Sonne brennt! Da hilft es, wenn die Windschattenposition mal getauscht werden kann. Auch wenn es dabei bei der Navigation schon mal zu Missverständnissen kommen kann…
Total erschöpft erreichen wir nach knapp 110 km den vorreservierten Camping in Rødvig. Die trockenen Witze, die der Platzbesitzer macht („Are you warm?“), muntern uns auf. Tinu hat den Ehrgeiz, die nächste Etappe nach Kopenhagen noch unter 90 km zu kürzen. So startet er Komoot und beginnt zu planen. Während er zwischendurch die Corona-News checkt (etwas, das wir uns angewöhnt haben, um ansatzweise zu wissen, wo wir hin können und wo nicht), entdeckt er die nächste Hiobsbotschaft: Die Schweiz ist auf der norwegischen Quarantäneliste rot markiert. Das bedeutet, als Schweizerin muss man bei der Einreise nach Norwegen einen privaten Ort vorweisen können, an dem man sich für 10 Tage in Quarantäne begibt. Nicht schon wieder!

Unschöne Nachrichten im Bund

Jetzt kommt aber erst einmal Kopenhagen und wie es weitergeht schauen wir dann später! Wir schlafen wunderbar und machen uns auf die letzte Etappe zu einem Ort, mit dem wir vor unserer Tour nicht gerechnet hätten, der uns aber ohne Frage in Erinnerung bleiben wird! In einer Pause schreiben wir ein Mail an die norwegische Botschaft in der Schweiz und schildern unseren „Fall“, um herauszufinden, ob es für uns vielleicht ein Einreiseschlupfloch gibt. Weil bereits Freitag ist, rechnen wir aber nicht mehr mit einer Antwort vor dem Wochenende. Auch heute verwöhnt uns der Wind und wir kommen gut voran. Die Abkürzungen von Tinu (die Etappe ist jetzt noch 83 km lang) helfen zwar vorwärts zu kommen, bescheren uns aber auch immer wieder Fahrten an vielbefahrenen Strassen. (Nicht AUF diesen Strassen, sondern konsequent daneben. Wir haben in Dänemark kaum eine Strasse erlebt, die keinen zweispurigen Fahrradweg daneben hat.) Das macht uns zwar schneller, aber die Fahrt nicht zwingend schöner. Bereits bei der Einfahrt in die Stadt sind wir gleich mehrfach beeindruckt: Als erstes von der Architektur. Wir sind uns einig, (und das ist bei diesem Thema doch eher die Ausnahme) dass die modernen Gebäude toll aussehen. Auch dass jedes Haus ans Wasser angehängt ist, gefällt uns.

Später beeindruckt uns die Fahrradfreundlichkeit der Stadt. Die 1000en von Fahrrädern in verschiedensten Ausführungen funktionieren untereinander ohne grosse Probleme und die Autofahrerinnen nehmen Rücksicht auf die meist 2-rädrigen Verkehrsmitstreitenden. (Auch wenn sie bei einer Ampel gut und gerne 20 und mehr Drahtesel passieren lassen müssen, bevor sie rechts abbiegen können). Auch wir finden einen (aus unserer Perspektive, was die Einheimischen über uns dachten wissen wir nicht…) guten Umgang mit dem Velogewusel sind auf direktem Weg beim Hotel.
Mit Tinu’s Arbeitskollege gibt es heute nur ein schnelles Apéro weil er zum Znacht abgemacht hat. Trotzdem ist die Freude gross Tom und Janine auf diese doch etwas spezielle Art in Kopenhagen anzutreffen.

So verbringen wir den Abend zu zweit mit der traditionell ausgedehnten Restaurantsuche (zu voll, keinen Platz, keine Ahnung was das auf der Karte bedeutet, zu chic, nur Meeresgetier, italienisch ist zu wenig dänisch usw., wir erinnern uns an den Blogeintrag von München…). Nach einer Weile finden wir tatsächlich etwas (Burger und Salat. Man könnte hier diskutieren ob Pizza oder Burger dänischer ist…) und setzen uns erleichtert hin. Das Essen schmeckt! Bei der Rechnung bleibt uns aber die Spucke weg: Zwei Getränke, ein Salat (mit Lachs und anderen Delikatessen), und ein Burger: Etwas über 80 Franken. Etwas ernüchtert studieren wir zurück im Hotel die Big Mac-Studie und merken, dass uns in Norwegen ähnliches erwarten dürfte. Upps!
Huch da haben wir etwas vorgegriffen. Aber dass im letzten Satz Norwegen erwähnt ist, ist kein Zufall: In der Zwischenzeit hat uns die norwegische Botschaft nämlich folgende Nachricht zukommen lassen:

Wir freuen uns sehr darüber, nun doch noch in einem unserer Traumländer einreisen zu dürfen und buchen kurzerhand die Fähre von Kopenhagen nach Oslo für den Montagnachmittag.
Am Samstagmorgen bringen wir erst einmal Monikas Fahrrad zum Mechaniker. Am Telefon hat „Buddha Bikes“ einen sehr sympathischen Eindruck gemacht und auch als wir dort ankommen werden wir sehr freundlich begrüsst. Das zerrissene Lichtkabel zu reparieren sei eine kleine Sache und am Montag um 11 Uhr sei das ganz sicher erledigt. Auch ein Ersatzgefährt für Monika haben sie. Dass nun ausgerechnet das GeburtstagsKIND ein altersgerechtes Fahrzeug erhält amüsiert die eine Hälfte des TiMonTour-Duos und verunsichert die andere. Doch es dauert nicht lange bis sie die moderne Architektur Kopenhagens mit ihrem Eingänger mit Rücktritt im wahrsten Sinne des Wortes erFÄHRT. Und Freude daran hat sie auch noch!

Nach einem Nachmittag auf der Suche nach Schatten, machen wir uns mit Tom, Janine, Raphael und Jacqueline auf den Weg zum Restaurant. Sie haben etwas exklusives ausgewählt, meint Kopenhagenkenner Raphael. Dass es definitiv exklusiv ist, erkennen wir bereits am Michelinstern neben dem Eingang. Kurzerhand beschliessen wir, den heutigen Tag aus der Ausgabendurchschnittsberechnung unserer Reise zu streichen und das Essen zu geniessen (Was wir definitiv taten!).
Unser Gourmet-Nichtkennertum stellt Tinu unter Beweis als er kurzerhand das Handy zückte, um die grandiosen Essens-Zusammenstellungen fotografisch festzuhalten. Später am Abend erfahren wir, dass „man“ Essen fotografieren nicht macht. Tinu möchte es etwas näher wissen: Warum macht „man“ das nicht? Das Restaurant sollte doch ein Interesse daran haben, wenn ihre schönen Kreationen festgehalten werden?! Niemand findet ein logisches Darum: Ist halt einfach so! Darum erlauben wir uns auch die Fotos hier einzufügen:

Nach dem Essen und dem gemütlichen Bier im Anschluss (bis 0:00 aus dem Glas, dann umschütten in den Kaffeebecher: Dänemark hat diesbezüglich ausserordentlich strenge COVID-Regeln), verabschieden wir uns von der super Gesellschaft und fahren Richtung Hotel. Merci euch, es waren schöne Stunden, spannende Gespräche und wir konnten viel (unter anderem über Architektur) erfahren!
Nachdem wir den Sonntagvormittag im Waschsalon verbracht haben, wollen wir am Nachmittag noch den einen oder anderen Tourismus-Pflichtbesuch „erledigen“. Wir entscheiden uns gegen das Tivoli und für die berühmte Meerjungfrau.

Auf dem Rückweg zum Hotel kommen wir bei einem Platz mit vielen Restaurants vorbei. Wir machen ab, dass wir zur Znachtzeit diesen Platz nicht verlassen, bevor wir gegessen haben. Zuversichtlich heute Abend das schon fast legendäre Restaurantproblem umgehen zu können, gehen wir zurück zum Hotel. 2 Stunden später machen wir uns zu Fuss auf, den ominösen Platz aufzusuchen (Tinu hat auf der Karte extra einen Favoriten gesetzt, damit wir ihn sicher wieder finden.) Kurz nachdem wir beim Hotel losgegangen sind, kommen wir bei einem Restaurant vorbei. Wir gehen zweimal daran vorbei und schauen den Gästen unauffällig auf die Teller (ok, da würden wir verstehen, dass „man“ das nicht macht… Aber es hilft!). Sieht glustig aus! Also nehmen wir im ERSTEN Restaurant das wir sehen einen Tisch und essen wunderbar (und preiswert) zu Abend. Den Restaurantplatz mit dem Favoritenpunkt auf der Karte haben wir gar nicht erst betreten.
Den Montagmorgen haben wir detailliert geplant: Nach dem Frühstück bringen wir alles Gepäck von unserem Zimmer im 5. Stock in die Lobby. Als wir mit 4 mal laufen alle Taschen, Siggflaschen, das Zelt, die Regenkleidertasche und alles andere beim Lift haben, gehen alle Lichter aus und der Lift fährt nicht mehr. Stromausfall! Also tragen wir alles Gepäck die Treppe runter und checken aus. Der Nächste Punkt auf der Planungsliste ist, mit allem Gepäck und Monikas Ersatzfahrrad die fünf Kilometer zum Velogeschäft zu fahren. Doch weil an Monikas Gefährt keine einzige Tasche gehängt werden kann, muss alles irgendwie an und auf Tinus Fahrrad und Anhänger Platz finden.

Dass Monikas Fahrrad unter mässig kreativen Ausreden nicht repariert wurde enttäuscht uns, doch wir freuen uns auf Norwegen und können mit etwas konsequentem Nachhacken sogar verhindern, dass wir uns bei der Fähre zuhinterst in die Autoschlange (an der bratenden Sonne) einreihen müssen.
Nun sitzen wir in unserer Koje auf der Fähre und wenn wir morgen erwachen, sind wir in Norwegen.

Anmerkung: Die Norweger empfingen uns äusserst freundlich und der Polizist, der uns kontrollierte, schaute zwar genauer hin und fragte nach, liess uns aber problemlos einreisen! Nun haben wir die Fahrräder noch einmal zu einem Mechaniker gebracht und schauen uns Oslo an.

Kategorien
Dresden nach irgendwo

30. Juli bis 2. August – Dresden – Bertingen – oder ein Fluss, der Wind und viele Bekanntschaften

Mit etwas Enttäuschung im Bauch fahren wir in Dresden ab, weiter elbabwärts. Bald merken wir, dass der Wind weder gedreht noch nachgelassen hat. Für die mit 128 km sehr lange Etappe ist das eine unangenehme Entdeckung. So geht es denn auch eher mühsam voran und wir sind froh um jeden Wald, der den Wind etwas abhält oder jede Biegung der Elbe, die dafür sorgt, dass der Wind uns nicht ganz frontal trifft. Die Etappe zieht sich hin und wir sind auf der Suche nach dem Reiz des Elberadweges. Wir fahren oft durch Industriegebiete, durch riesengrosse Monokulturen (meistens kilometerlange Felder mit Weizen) und sehen die Elbe nur selten. Ob wir die falsche Elbseite „erwischt“ haben? Wir wissen es nicht. Den ganzen Nachmittag hat Tinu versucht auf dem Camping in Prettin jemanden zu erreichen, um sichergehen zu können, dass es für uns eien Platz gibt. Auf beiden Nummern auf der Homepage nahm aber niemand das Telefon ab. Nach 126 Kilometer Kampf gegen den Wind erreichen wir Prettin um 18:20 Uhr und überlegen, ob wir uns wohl zuerst beim Camping anmelden oder zuerst einkaufen sollen. Wir entscheiden uns für letzteres und sind um 18:45 vor der Barriere des Campings. Beim Büro stehen die Öffnungszeiten der Rezeption: Bis 18:30 Uhr… Doch die Rettung in Form einer Platzwartin kommt! Sie muss bloss noch etwas trinken, weil sie einen strengen Tag hatte. Die Idee finden wir gut und tun es ihr gleich. So ist das Eis gebrochen, wir haben einen sympathischen Empfang und überlegen gemeinsam, warum es Sinn macht, dass die Übernachtungsgebühr mit der Karte bezahlt werden kann, die Duschmarken aber nicht (Resultat der Überlegungen: Die Chefin will es so!).
So verbringen wir einen wunderschönen Abend mit Sonnenuntergang über dem kleinen See.

Am nächsten Tag stehen etwas über 100 km auf dem Programm. Die Hoffnungen, der Wind könnte gedreht haben, verwehen rasch und so kämpfen wir einen weiteren Tag gegen den Wind. Die Landschaft wird immer schöner und es gibt immer wieder schöne Abschnitte direkt der Elbe entlang. Wir verstehen langsam, warum der Elberadweg so gut ausgebaut ist und warum es kaum einen Kilometer gibt, auf dem kein Schild auf „Eispause für Radler“, „Radfahrerfreundliche Pension“ oder „Abschliessbare Fahrradparkplätze“ hinweist. (Die Berge vermissen wir trotzdem ein wenig! Die rund 250 Höhemeter, die wir auf dem Elberadweg zusammenbekommen sind hauptsächlich Auf- und Abfahrten vom Elbdamm). So treffen wir denn auch immer wieder Radfahrer und kommen mit ihnen und anderen ins Gespräch. Am Abend erreichen wir Aken und das Zeltfeld direkt an der Elbe (näher geht kaum). Beim Kochen setzen sich zwei Radfahrerfamilien zu uns und es ergeben sich spannende Gespräche im Englisch-Deutsch-Slowenischen Sprachengemisch (zur Freude der Eltern und zum Leid der Jugendlichen, dass letztere ihr Schulenglisch auspacken mussten). (An dieser Stelle falls ihr es lest: It was eine Freude, euch to meet!)


Am nächsten Morgen die Überraschung für alle: Der Wind hat gedreht! Vorfreude und grosse Ziele was die Tagesdistanz angeht kommen auf. Wir bleiben bei den geplanten 100 Kilometern. Tatsächlich kommen wir viel besser vorwärts als die Tage zuvor und wir haben Spass zu fahren. Immer wieder treffen wir Leute, mit denen wir ins Gespräch kommen: Da ist zum Beispiel der sympathische Fährmann, der sich zuerst über den Anhänger, dann über die Tatsache, dass Tinu („der Mann“) mehr Kleider dabei hat als Monika („die Frau“) und zum Schluss darüber, dass man 3 Monate Urlaub machen kann wundert. Oder da ist die Frau vor der Bank, die uns von Herzen einen schönen Urlaub wünscht. Oder da ist der Franzose, der in Leipzig lebt und sich trotz Corona-Regeln zu uns an den Tisch setzt und sich ein spannendes Gespräch entwickelt (Z.B.: Was bedeutet Zeit? Radfahrer haben einen eigenen Zeitbegriff, weil man die Welt auf eine eigene Art und Weise bereist und entdeckt).
So kommen wir nach einem heissen Tag (Wir haben „nur“ 32°C, das scheint ja im Gegensatz zu dem, was wir aus der Schweiz hören, harmlos. Geschwitzt haben wir trotzdem!) in Bertingen auf dem wirklich tollen und wirklich radfahrerfreundlichen Campingplatz an. Die „weltbesten Schweizer“ erhalten einen besonders schönen Stellplatz. Und dann kommt der Regen! Nachdem wir während den vergangenen Wochen einmal etwa 3 Stunden und zweimal etwa 1 Stunde Regen hatten, ist das ein seltsames Gefühl. Im Zelt sind wir aber im Trockenen und geniessen die Tropfen.

Warten auf besseres Wetter


Am nächsten Tag würden 133 Kilometer auf dem Tagesplan stehen. Bei strömendem Regen und Gewitter wollen wir uns das aber nicht antun und die Etappe zu kürzen erscheint uns nur bedingt sinnvoll, weil es für den weiteren Verlauf nichts bringen würde. So bleiben wir eine zweite Nacht in Bertingen und schmeissen unsere Pläne ein weiteres Mal komplett über den Haufen. Dazu aber das nächste Mal mehr. Kleiner Cliffhänger: Das das Ziel ist nicht mehr Kiel und Tinus Arbeitskollege hat etwas damit zu tun…

Kategorien
Prag - Dresden

25. bis 27. Juli – Prag – Dresden oder zurück in die Schweiz

Nach erlebnisreichen Stunden in Prag machen wir uns am Sonntagmorgen auf den Weg Richtung Dresden. Wir planen drei Etappen wobei wir mit einem zusätzlichen Wandertag im Grenzgebiet zwischen Tschechien und Deutschland liebäugeln. Die Fahrt, zuerst der Moldau und anschliessend der Elbe entlang, hat kaum Steigungen, weshalb wir eine kilometermässig lange Etappe planen. Aus unseren Erfahrungen mit Grossstädten (München einmal ausgenommen), kann das Verlassen einer Stadt anstrengend und mühsam sein. Nicht so in Prag: In wenigen Minuten sind wir vom Hotel an der Moldau und dort geht es auf vorbildhaften Fahrradwegen aus der Stadt heraus. Wow, das hätten wir nicht erwartet! Sogar auf holprigen Pflastersteinen wurde an die Fahrradfahrerinnen gedacht:

Auch die weiteren Kilometer der Moldau entlang sind sehr schön zu fahren und wir kommen gut vorwärts. So kommt es, dass die Kilometerzähler beim Mittagessen beinahe 50 anzeigen. Wir haben uns in den vergangenen Tagen wohl doch schon eine gewisse Grundfitness antrainiert! In Mělnik fliesst die Moldau in die Elbe (die in Tschechien aber noch nicht Elbe, sondern Labe heisst).

Mělnik

Es geht weiter sehr gut vorwärts. Unser Tagesziel ist das «Auto Kemp» in Litoměřice. Unterwegs treffen wir aber immer wieder auf Hinweise zu «Cyklo Kemps». Das «Cyklo» Fahrrad bedeutet haben wir mittlerweile gelernt und warum Cyklo Kemp uns sympathischer als Auto Kemp ist, ist wohl nicht nur für fleissige Blogleserinnen nachvollziehbar. So entscheiden wir nach 108 gefahrenen Kilometern, noch deren 20 anzuhängen – in Vorfreude auf ein velofreundliches Schlafen!
Als wir im Cyklo Kemp Shipyard ankommen, werden wir tatsächlich freundlich empfangen: einerseits von der freundlichen Receptionistin (aka Barmaid), andererseits von sehr vielen (geschätzt 50) jungen, mehrheitlich Männern, die alle dasselbe T-Shirt tragen und dieselbe Flüssigkeit in ihren Gläsern haben. Schön, dass sie unsere Ankunft so lautstark feiern!
Die Rezeptionsbarfrau verweist uns mit einem charmanten Lächeln auf einen Stellplatz hinter dem Haus – «Because of the Party!». Die Duschen (an Thurnhallenduschen erinnernde, mit grauen (waren mal andersfarbig) Vorhängen zwischen Männern und Frauen abgetrennte, nach der Flüssigkeit die hochkommt, wenn man mit dem Entstopfungsstöpsel den Badewannenabfluss bearbeitet, riechende Räume) funktionieren. Beim WC-Gang kreuzen sich die Wege der (wohl doch nicht uns, sondern irgend einen Meistertitel) feiernden Horde junger Männer wieder mit unseren. Näher über den Zusammenhang der Treffsicherheit am Kreuzungspunkt und dem den Feiernden ausgeschenkten Getränk zu schreiben, wäre einem Reisebericht nicht würdig. Deshalb lassen wir das an dieser Stelle sein.
Nach einer unruhigen Nacht (die Party dauerte an und «hinter dem Haus» reichte leider nicht aus, dass wir nicht mehr von «Jonny Deppdeppdepp» und «Bella Ciao» (auf tschechisch) unterhalten wurden), fahren wir los und freuen uns von dort wegzukommen.
Für die heutige Übernachtung sind wir um einiges zuversichtlicher: Der Aktivhof Porschdorf ist zwar nicht direkt an der Elbe, aber er wurde uns direkt empfohlen. Und die Empfehlung ging voll und ganz auf!

Schöne Aussichten von der Haus-(Zelt-)Türe

Wir geniessen die gute Stimmung unter den Gästen des Aktivhofes und entschieden, die «Sächsische Schweiz» und ihre speziellen Felsformationen noch einen weiteren Tag zu geniessen. So können wir ohne Rückreise in die Heimat, die Schweiz erleben. Wir lassen uns eine Wanderung empfehlen und begeben uns am Morgen statt auf die Räder auf Schusters Leisten. Die Wanderung zieht sich über knapp 4 Stunden hin und endet in Bad Schandau, von wo wir mit dem Bus wieder nach Porschdorf fahren. Wir reissen Witze darüber, dass «wandern» bei uns eher «spazieren» bedeutet und kochen uns ein feines Znacht.

Die Quittung kommt am nächsten Tag (wobei man sich unter den Teilnehmenden der TiMonTour über die Ausprägung dieser «Quittung» nicht immer ganz einig ist): Die Waden schmerzen vor Muskelkater und noch am Tag als dieser Bericht verfasst wird (die massiv-alpine-langstrecken-Bergwanderung ist nun 3 Tage her), schmerzen dem Schreiberling die Waden. Das war’s dann mit der Freude über die tolle Konditionszunahme… (Vielleicht kann uns dieses Phänomen irgend eine Physiotherapeutin oder jemand mit ähnlichen Kenntnissen erklären??? Kommentare sind herzlich willkommen!).
Nach diesen zwei herrlichen Tagen in Porschdorf fahren wir die 50 Kilometer nach Dresden. Schon während den letzten 20 Kilometern erhalten wir einen Vorgeschmack darauf, was uns hier erwartet: Wir kämpfen gegen heftigen Gegenwind!

Kategorien
München - Prag

21. bis 24. Juli – Furth – Prag oder Tschechien und die Farradwege

Der letzte Tag in Bayern bricht an! Nach der trockenen Regen(-Fluss-)Fahrt, erleben wir tatsächlich noch eine Regennacht. Mehrmals regnet es in dieser Nacht heftig und das Zelt ist am Morgen tropfnass. Unser Nachbar ist bereits fleissig und schmeisst fortlaufend Nacktschnecken aus seinem Zelt. Wir scheinen aber mit unserem Platz mehr Glück gehabt zu haben, finden wir doch genau eine Schnecke an den (aus genau diesem Grund) vorsichtshalber mit der Sohle nach oben gedrehten Sandalen. Der Rest unseres Materials ist schneckenfrei. So können wir uns bald auf das Frühstück stürzen. Obwohl wir dafür auch schon motivierter waren: Der am Vorabend im Penny-Markt gekaufte, in Plastikfolie eingepackte und bis in alle Ewigkeit haltbare Rosinenzopf ist nicht das, was wir zum Frühstück zaubern würden, wenn zaubern denn möglich wäre. Aber mit kaum bezahlbarem Lindt-Schoggiaufstrich (in Italien hergestellt, in Deutschland gekauft…) veredelt, lässt sich auch das essen.
Als das Zelt tatsächlich etwas trocken ist, starten wir. Zuerst geht es dem Iron Curtain Trail (eigentlich fast witzig, weil genau dieser unser ursprünglicher Plan gewesen wäre) entlang bis zum letzten Supermarkt in Bayern, wo Martin die herrschende Maskenpflicht noch einmal richtig auskosten kann.

Einbrecher oder Einkäufer???

Danach ist es nicht mehr weit bis zur tschechischen Grenze, die dieses Mal nicht zu verfehlen ist: So viele Schilder auf so engem Raum muss man erst einmal hinbekommen!

Schilderwald an der Grenze zu Tschechien

Anschliessend kommt ein fotografisch nicht festhaltbares Highlight unserer Tour: Der Böhmische Wald. Eingangs steht ein Schild „Dieser Wald wird videoüberwacht“, doch wir wagen uns trotzdem hinein. Auf bestem Fahrradweg (zugegeben, wir hatten was tschechische Fahrradwege angeht das eine oder andere Vorurteil…) geht es durch einen traumhaft schönen Wald – und das über mehrere Kilometer, wo wir ausser Wald und Fahrradweg nichts und fast niemandem begegnen. Was für ein Traumstart in Tschechien!

Versuch, die Schönheit des Böhmischen Waldes fotografisch festzuhalten

Nach diesem schönen Abschnitt geht es manchmal über Land, manchmal durch Dörfer aber immer entweder bergauf oder -ab, Richtung Pilsen. Schon bald einmal bekommen wir doch noch das eine oder andere Vorurteil, was tschechische Fahrradwege angeht, bestätigt. Für das grösste Abenteuer sorgt aber das fälschlicherweise etwas an Aktualität überschätzte Komoot: Bei einer Abzweigung wo sich Komoot und der (auf dieser Etappe eher spärlich) markierte Fahrradweg nicht einig sind, entscheiden wir uns für Komoot. Zuerst geht es über schöne Strassen und durch kleine Dörfer bis die Strasse immer schmaler wird und dann zu einem überwucherten Feldweg in einen Wald zweigt. Dort ist der Weg kaum mehr sichtbar und das was ihn mal war von einer Barriere versperrt. Weil die Fahrräder inklusive Gepäck und Fahrerin (beim Fahrer wird’s etwas komplizierter) problemlos unter der Barriere durchpassen, stürzen wir uns rein. Mit viel Holpern, Rutschen und wenig Freude am Fahrradfahren (was man durchaus auch anders ausdrücken kann, etwas das wir in verschiedenen Versionen lautstark trainieren) kämpfen wir uns durch den Wald und kommen tatsächlich auf der anderen Seite wieder raus. Ein erstes Mal sind wir über die Spontanaktion FSME-Impfung in letzter Sekunde vor der Abreise froh, weil Monika tatsächlich ein fieses Zeckenbiest findet und noch vor dem entscheidenden Biss „entfernen“ kann (Tschechien gilt als FSME-Hochrisikogebiet).
So kommen wir am Abend erschöpft in Pilsen an und freuen uns über den grandiosen Empfang in Hotel und ein hammermässiges Abendessen (so Sachen wie „Auberginentartar mit Pestotoast“ vom jungen aber – und da sind wir sicher – sehr talentierten Hotelkoch).
Am nächsten Morgen sehen wir die Welt etwas rosiger: Die Leute nicken uns plötzlich freundlich zu, die Landschaft ist schöner, die Fahrradwege nicht mehr holprig, sondern naturnah und anderes mehr. Martin ist überzeugt, dass das alles am Vortag wirklich schlimmer war und nicht etwa nur ein von der Anstrengung beeinflusster Eindruck!

So erreichen wir nach 84 schönen Kilometern die Berounka (ein Fluss), wo der erste tschechische Camping („Autokemp“) auf uns wartet.
Weil unser Anhänger den holprigen Wegen eine Schraube gespendet hat, müssen wir diese ersetzen, damit der Anhänger seine Standfestigkeit behält und nicht auseinanderfällt. Dr Google erzählt uns Unglaubliches: Ein Einkaufsgeschäft gibt’s im Dörfchen (wir haben ähnliche Anhäufungen von Häusern auch schon Kaff genannt) nicht, aber ein „Veloservis“ schon! Martin ruft an, wird aber weder in Englisch noch in Deutsch verstanden (ein Phänomen mit dem wir in Tschechien oft zu kämpfen haben…). Mit Mühe und Not erfährt er, dass „Shop open“ und „10 minutes ok“ ist. So fährt er hin und findet an einer Wohnhauswand ein Schild, das auf den „Veloservis“ hinweist. Nach zweimaligem Klingeln öffnet sich die Tür und Thomas und sein (der Sprache wegen) dazu gerufener Sohn Adam erscheinen. Martin dreht den Anhänger um und zeigt auf die fehlende Schraube: „Problem here!“. Thomas scheint erleichtert und geht nach drinnen. Kurz darauf kommt er mit einer passenden Schraube zurück und flickt den Anhänger mit grosser Sorgfalt. Geld will er dafür keines. Ein Selfie mit Thomas später fährt Martin glücklich von Dannen.

Beim Abendessen im Campingrestaurant treffen wir auf einen Deutschen Fahrradfahrer. Wir kommen immer wieder auf das Thema Corona zu sprechen, bis wir merken, dass sich unsere Haltungen zu Maskenpflicht und Vorsichtsmassnahmen so stark unterscheiden (er habe da so einen Professor im Internet gesehen, der gesagt habe Covid-19 sei nicht gefährlich und es sei wichtig, dass man neben den Zeitungen und den Politikern auch auf solche Leute höre), dass wir uns in unser Zelt zurückziehen.
Nach einer etwas unruhigen Nacht („Autokemp“ wird ziemlich wörtlich genommen: neben jedem Zelt steht (auf der Wiese) mindestens ein Auto, das auch für die Fahrt zu Toiletten- und Duschhaus verwendet wird), nehmen wir die kurze Etappe mit dem Ziel „Altstadt Prag“ unter die Räder. Kurz nach dem Mittag sind wir da und geniessen die wunderschöne Stadt Prag. Es erzählen uns alle, Prag sei noch nie so schön gewesen, weil man der wenigen Leute wegen viel Platz habe. Tatsächlich erhalten wir im nicht für Kinder geeigneten Museum, beim Abendessen und auf der ganztägigen „Zu-Fusstour“ mit der ungefähr 75-jährigen Helena, die uns spannende Fakten aber auch eigene Erlebnisse aus der Zeit vor und nach „der Wende“ mitgibt, einen wirklich tollen Eindruck dieser Stadt. Ein echtes Highlight!

Kategorien
München - Prag

Quo vadis? München und wie weiter?

Als im Juni klar wurde, dass wir aufgrund geschlossener Grenzen unsere Reise nicht in Norwegen starten können, wurde rasch der Plan geboren, München als erstes Zwischenziel festzulegen. Nun sitzen wir hier gemütlich im tollen Zimmer von Martins Schwester und sinnieren, wie es mit der TiMonTour weitergehen soll. Norwegen hat seine Grenzen vor zwei Tagen geöffnet, somit besteht für uns die Möglichkeit ab München doch noch nach Norwegen zu fliegen. Eine andere Möglichkeit ist es, der schon einmal grob geplanten Route nach Prag zu folgen und von dort durch Norddeutschland an die Ostsee zu fahren.

Nachdem vor dem Erreichen von München die Idee mit Norwegen „Favorit“ war, waren wir uns wie abgesprochen plötzlich einig, dass wir von München aus Richtung Tschechien weiterfahren. So dauerte der definitive Entscheid nicht lange. Die TiMonTour wird uns von München weiter nach Prag führen.

Mit der Detailplanung ist es etwas komplizierter: Wie steht es in Tschechien mit Corona? Haben die Campingplätze (in Tschechien „Autokamp“ genannt, wie wir herausfinden…) überhaupt offen? Dürfen wir als Schweizer überhaupt nach Tschechien rein? (Tschechien hat ziemlich strenge Quarantäneregeln und Personen, die sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben, müssen sich innert weniger Tage testen lassen). Nachdem wir für all diese Fragen grünes Licht erhalten, können wir die Route bis Prag festigen. Dabei ist das Hauptproblem nicht etwa in Tschechien, sondern noch in Deutschland: Auf den ersten Kilometern finden wir keine Übernachtungsmöglichkeit. So werden wir am Samstag – nach 2 fast velofreien Tagen – gleich mit einer Strecke von 104km einsteigen und nachdem wir der Isar und dem (der?) Abens gefolgt sind, in Neustadt an der Donau übernachten.

Alle weiteren vorläufig geplanten Etappen findet ihr hier:

Kategorien
Schweiz - München

14. und 15. Juli – Biberwier – München oder auf den Spuren der Jäger

Das Zelt ist rasch abgebaut und im Gegensatz zu den vergangenen Tagen sogar einigermassen trocken. Es soll uns heute eine eher gemütliche Etappe im Schatten der Zugspitze und des Karwendelgebirges erwarten. So geht es erst einmal in zügiger Fahrt nach Garmisch und durch die Stadt hindurch zur imposanten Sprungschanze. Die Strasse Richtung Klais hat zwar einen durchgehenden und sehr gut gepflegten Radweg auf der Seite, trotzdem ist es nicht nur angenehm, in der Hitze die knapp 200 Höhenmeter direkt neben der Autostrasse zu erklimmen. Umso mehr geniessen wir die „Privatstrasse“ von Wallgau nach Vorderriss durch ein wunderschönes Naturschutzgebiet. Diese Strasse ist definitiv eine Fahrt wert. (Schön zudem, dass wir im Gegensatz zu den Mitnutzer*innen der Strasse, die motorisiert unterwegs sind, keine Maut bezahlen müssen.)

Einige Kilometer nach Vorderriss erreichen wir Fall und dort das „Outdoorhotel Jäger von Fall“, wo wir übernachten.

Ein erstes Mal bemerken wir die teilweise etwas verwirrenden Corona-Schutzmassnahmen Bayerns: Im Restaurant muss man immer dann eine Maske tragen, wenn man vom Tisch aufsteht. In Läden und im ÖV trägt man grundsätzlich eine Maske. Das scheint uns alles einigermassen nachvollziehbar und logisch und natürlich tragen wir das auch vollkommen mit. Irritierend ist aber, dass viele Leute die Maske im Restaurant einfach neben ihren Teller legen, oder dass das Servicepersonal sich vor, während und nach dem Servieren immer wieder an die Maske greift. Da beginnen wir zu schätzen, dass in der Schweiz (aus unserer subjektiven Sicht) die Aufklärung über die Verwendung der Maske vor der zurückhaltend eingesetzten Pflicht erfolgte.

Am Mittwoch jagen wir der Isar entlang Richtung München. Mit einem Durchschnitt von fast 23 km/h fühlte es sich wirklich wie Jagen an und wir machen uns schon fast Sorgen zu früh in München zu sein. Nachdem wir dann doch noch das eine oder andere Mal über Schotterstrassen auf- und absteigen dürfen und wir – im „Gasthof Jäger“ – einen Kaffeehalt machen, scheint es zeitlich bestens zu passen, dass wir beim Tierpark München auf Salome – die Schwester von Martin – treffen.

Nun erwarten uns einige tolle, wenn auch verregnete Tage in München mit exklusiven Kirchturmausblicken (Salome’s Freund Chrissi hat echte „Beziehungen nach oben“ oder in der Praxis: einen Schlüssel zum Kirchturm), Bayrischem Essen, der für uns traditionellen verflixten Restaurantjagd (1. voll, 2. übervoll, 3. unsympathisch, 4. (wir geben den Bayrisch-Plan auf und gehen in die Pizzeria) Pizzaofen defekt und Desserts sind ausgegangen, 5. geschlossen aufgrund Corona, 6. zu chic. 7. es klappt! (eine Viertelstunde vor Küchenschluss)), und einigem mehr…