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Prag - Dresden

28./29. Juli Dresden – oder alles geht schief

Trotz Gegenwind erreichen wir Dresden am frühen Nachmittag. Da wir zwei Übernachtungen eingeplant haben, sollte uns genügend Zeit bleiben, die geschichtsträchtige Stadt zu besichtigen und unsere weitere Route zu planen. Doch bereits als wir beim Hotel eintreffen, entdecken uns das erste Malheur. Die Deichsel bei unserem Anhänger scheint angebrochen zu sein. Zum Glück früh erkannt, einen Durchbruch bei voller Fahrt wollen wir uns lieber nicht vorstellen. Einmal tief durchatmen und überlegen, wer uns dieses Teil wieder zusammenschweissen könnte. Wir finden das Bikehospital und die lustige Beschreibung auf der Webseite lässt uns dort anrufen („Egal, wo du dein Rad gekauft hast, es sind alle Krankheiten willkommen und wir haben für jedes Zipperlein und auch für schwere Notfälle die passende Medizin“). Der Typ kann uns zwar nicht mit einer Schweissnaht dienen, aber immerhin können wir am nächsten Tag Öl für Tinus leckende Rohloffschaltung holen (Ja, irgendwie will die nicht so recht… Wir hoffen, ein bisschen Flüssignahrung stellt sie vorläufig zufrieden). Wir erweitern unsere Suche und finden ca. 6km elbabwärts einen Schweisser, der, wie er ums erklärt, selbst Freizeitradfahrer ist und für unser Problem eine Lösung finden will. Dazu bestellt er uns am nächsten Morgen um 7.30 in seine Werkstatt.
Somit bleibt doch noch etwas Zeit, die Stadt zu besichtigen. Im Zweiten Weltkrieg wurden grosse Teile von Dresden komplett zerstört und der Wiederaufbau und die Erinnerung an diese Zeit sind immer noch überall erkennbar.
Während unserer Stadtschlenderei wägen wir die Pros und Contras für unsere weitere Routenwahl ab. Grob haben wir drei Möglichkeiten: 1. Weiter Richtung Berlin an die Ostsee, 2. Entlang des Neusse-Oder-Radwegs an die Ostsee oder 3. Quer durchs Land Richtung Lübeck / Kiel. Die beiden ersten Routen würden uns zwar relativ schnell an die Ostsee und damit auf den ursprünglichen Plan, den Iron Curtain Trail (in entgegengesetzter Richtung) bringen, aber wir müssten in Polen und Litauen gut 700km durchs Land fahren, damit wir Kaliningrad umfahren können. Da Polen sowohl was Radwege als auch Corona betrifft nicht ganz unbedenklich ist und es von Kiel eine Fähre nach Litauen gibt, entscheiden wir uns für Variante 3.
Nachdem wir eine Nacht darüber geschlafen, unseren Trailer in aller Frühe geflickt (zum Glück gibt’s im Hostel bereits ab 6.00 Frühstück), uns über die aktuelle Situation informiert und die Routen (inklusive Ersatztag) geplant haben, buchen wir die Fähre Kiel-Klaipéda am 6. August. Nun steht wieder Sightseeing auf dem Programm. Zudem müssen wir einige Dinge ersetzen, die auf unserer Reise an verschiedenen Orten liegen geblieben sind. Bei Kaffee und Kuchen ereilt uns der nächste Schock. Die Berner Zeitung „Der Bund“ schreibt, dass nun auch die baltischen Staaten die Schweiz auf die gelbe Liste gesetzt haben. Länder mit mehr als 16 Infektionen pro 100‘000 Einwohnende während der letzten zwei Wochen (in Finnland sogar 8/100‘000) müssen für 14 Tage in Quarantäne. Der Bund verlinkt veraltete Informationen in seinem Artikel (nämlich die, die wir bei unseren vermeintlich gründlichen Recherchen auch gefunden haben). Nach weiterem Suchen, zig Anrufen beim litauischen Konsulat und nicht viel hilfreicheren Antworten (ist nun die Staatsbürgerschaft oder das einreisende Land für die Quarantäneregelung massgebend und würde es evtl. etwas bringen, wenn wir noch zwei Tage länger in Deutschland bleiben würden, damit wir volle zwei Wochen ausweisen könnten und unser Tschechienaufenthalt uns nicht mehr zum Verhängnis wird…?!) entscheiden wir uns, die Fähre zu stornieren. Dies ist wider Erwarten per Telefon kostenlos möglich. (Vielleicht sind wir bei DFDS bereits von unserer Schottlandtour ROT im System vermerkt… Aber das ist eine andere Geschichte…)
Nach diesem ganzen Frust beschliessen wir, fein Essen zu gehen. Wir haben gestern bereits ein italienisches Restaurant entdeckt, das frische Pasta serviert. Heute sind wir schlauer und reservieren einen Tisch. Als Grund wählt Tinu „romantisches Essen“. Wir sind gespannt, ob von dieser Wahl etwas zu erkennen ist. Ist es nicht. Das Essen ist allerdings mehr als ausgezeichnet und sogar der Wein wird unseren Wünschen gerecht. Die leichtere Person unseres Duos ist sogar der Meinung, dass der Trailerfahrer eventuell ebendiesen holen muss, um sie nach Hause zu transportieren. Man könnte ja dann auch gleich testen, ob der Schweisser gute Arbeit geleistet hat… Der (sehr kurze) Heimweg wird dann doch zu Fuss bewältigt. Da wir zum ersten Mal im Lokal sind, gibt es noch 2 Portionen frische Spaghetti zum Mitnehmen. Für unser Nachtessen morgen ist also schon vorgesorgt. Das MammaMia in Dresden können wir allen Pasta-Liebhaber*innen wärmstens empfehlen.
Unsere geplante Route von Dresden nach Kiel bleibt vorerst bestehen und wir machen uns morgen in relativ grossen Etappen auf an die Nordsee. Was uns danach erwartet, ist wieder einmal ungewiss, aber das ist ja schliesslich das Motto unserer Reise…

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Prag - Dresden

25. bis 27. Juli – Prag – Dresden oder zurück in die Schweiz

Nach erlebnisreichen Stunden in Prag machen wir uns am Sonntagmorgen auf den Weg Richtung Dresden. Wir planen drei Etappen wobei wir mit einem zusätzlichen Wandertag im Grenzgebiet zwischen Tschechien und Deutschland liebäugeln. Die Fahrt, zuerst der Moldau und anschliessend der Elbe entlang, hat kaum Steigungen, weshalb wir eine kilometermässig lange Etappe planen. Aus unseren Erfahrungen mit Grossstädten (München einmal ausgenommen), kann das Verlassen einer Stadt anstrengend und mühsam sein. Nicht so in Prag: In wenigen Minuten sind wir vom Hotel an der Moldau und dort geht es auf vorbildhaften Fahrradwegen aus der Stadt heraus. Wow, das hätten wir nicht erwartet! Sogar auf holprigen Pflastersteinen wurde an die Fahrradfahrerinnen gedacht:

Auch die weiteren Kilometer der Moldau entlang sind sehr schön zu fahren und wir kommen gut vorwärts. So kommt es, dass die Kilometerzähler beim Mittagessen beinahe 50 anzeigen. Wir haben uns in den vergangenen Tagen wohl doch schon eine gewisse Grundfitness antrainiert! In Mělnik fliesst die Moldau in die Elbe (die in Tschechien aber noch nicht Elbe, sondern Labe heisst).

Mělnik

Es geht weiter sehr gut vorwärts. Unser Tagesziel ist das «Auto Kemp» in Litoměřice. Unterwegs treffen wir aber immer wieder auf Hinweise zu «Cyklo Kemps». Das «Cyklo» Fahrrad bedeutet haben wir mittlerweile gelernt und warum Cyklo Kemp uns sympathischer als Auto Kemp ist, ist wohl nicht nur für fleissige Blogleserinnen nachvollziehbar. So entscheiden wir nach 108 gefahrenen Kilometern, noch deren 20 anzuhängen – in Vorfreude auf ein velofreundliches Schlafen!
Als wir im Cyklo Kemp Shipyard ankommen, werden wir tatsächlich freundlich empfangen: einerseits von der freundlichen Receptionistin (aka Barmaid), andererseits von sehr vielen (geschätzt 50) jungen, mehrheitlich Männern, die alle dasselbe T-Shirt tragen und dieselbe Flüssigkeit in ihren Gläsern haben. Schön, dass sie unsere Ankunft so lautstark feiern!
Die Rezeptionsbarfrau verweist uns mit einem charmanten Lächeln auf einen Stellplatz hinter dem Haus – «Because of the Party!». Die Duschen (an Thurnhallenduschen erinnernde, mit grauen (waren mal andersfarbig) Vorhängen zwischen Männern und Frauen abgetrennte, nach der Flüssigkeit die hochkommt, wenn man mit dem Entstopfungsstöpsel den Badewannenabfluss bearbeitet, riechende Räume) funktionieren. Beim WC-Gang kreuzen sich die Wege der (wohl doch nicht uns, sondern irgend einen Meistertitel) feiernden Horde junger Männer wieder mit unseren. Näher über den Zusammenhang der Treffsicherheit am Kreuzungspunkt und dem den Feiernden ausgeschenkten Getränk zu schreiben, wäre einem Reisebericht nicht würdig. Deshalb lassen wir das an dieser Stelle sein.
Nach einer unruhigen Nacht (die Party dauerte an und «hinter dem Haus» reichte leider nicht aus, dass wir nicht mehr von «Jonny Deppdeppdepp» und «Bella Ciao» (auf tschechisch) unterhalten wurden), fahren wir los und freuen uns von dort wegzukommen.
Für die heutige Übernachtung sind wir um einiges zuversichtlicher: Der Aktivhof Porschdorf ist zwar nicht direkt an der Elbe, aber er wurde uns direkt empfohlen. Und die Empfehlung ging voll und ganz auf!

Schöne Aussichten von der Haus-(Zelt-)Türe

Wir geniessen die gute Stimmung unter den Gästen des Aktivhofes und entschieden, die «Sächsische Schweiz» und ihre speziellen Felsformationen noch einen weiteren Tag zu geniessen. So können wir ohne Rückreise in die Heimat, die Schweiz erleben. Wir lassen uns eine Wanderung empfehlen und begeben uns am Morgen statt auf die Räder auf Schusters Leisten. Die Wanderung zieht sich über knapp 4 Stunden hin und endet in Bad Schandau, von wo wir mit dem Bus wieder nach Porschdorf fahren. Wir reissen Witze darüber, dass «wandern» bei uns eher «spazieren» bedeutet und kochen uns ein feines Znacht.

Die Quittung kommt am nächsten Tag (wobei man sich unter den Teilnehmenden der TiMonTour über die Ausprägung dieser «Quittung» nicht immer ganz einig ist): Die Waden schmerzen vor Muskelkater und noch am Tag als dieser Bericht verfasst wird (die massiv-alpine-langstrecken-Bergwanderung ist nun 3 Tage her), schmerzen dem Schreiberling die Waden. Das war’s dann mit der Freude über die tolle Konditionszunahme… (Vielleicht kann uns dieses Phänomen irgend eine Physiotherapeutin oder jemand mit ähnlichen Kenntnissen erklären??? Kommentare sind herzlich willkommen!).
Nach diesen zwei herrlichen Tagen in Porschdorf fahren wir die 50 Kilometer nach Dresden. Schon während den letzten 20 Kilometern erhalten wir einen Vorgeschmack darauf, was uns hier erwartet: Wir kämpfen gegen heftigen Gegenwind!