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Norwegen

3. – 7. September – Geilo – Oslo oder Après-Rallarvegen-Katerstimmung

Obwohl sonnenklar ist, wer von uns den nächsten Beitrag schreiben muss, sucht die Schreiberin 1001 Gründe, warum sie den Bericht nicht schreiben kann. Leider gelten nicht mal die Unwissenheit über Ortsnamen und fehlende Erinnerung an die einzelnen Streckenabschnitte als hinreichende Begründung. Aus diesem Grund macht sie sich etwas widerwillig an die Aufgabe. Sollte jemand zu viele Informationen über Campingplätze und zu wenige über die (mühsame und oft langweilige) gefahrene Strecke empfindet, perlt Kritik an ihr ab, wie der Regen an unserem Zelt.

Nach zwei wundervollen Tagen auf dem Rallarvegen geht es nun zurück Richtung Oslo. Wir haben es nicht sonderlich eilig, denn wir erwarten in Oslo Post aus der Schweiz und diese wir nicht vor Montag eintreffen. Am Donnerstag nehmen wir wieder einmal eine gemütliche Etappe in Angriff, viel mehr bergab als bergauf. Nach ca. 15km auf der Hauptstrasse (wohl gemerkt auf der Nasjonalsykkelrute 4) drehen wir fast durch. Zum Glück findet unser Planungsheld wie so oft eine andere Route («mir chöis mau probiere, aber i weiss haut de nid, obs geit») und wir fahren fern des Verkehrs entlang eines Flüsschens durch den Wald. Hauptstrasse ist dies definitiv nicht mehr.

Irgendwann erreichen wir den Campingplatz in Gol und stehen vor verschlossener Tür – Rezeption bis 16.00 geöffnet. Wir suchen nach einer Telefonnummer, als ein Herr mit Aktentasche erscheint. Er kann uns zwar nicht direkt weiterhelfen, erklärt uns aber, dass der Besitzer jeden Moment erscheinen müsste, da er ein Meeting mit ihm habe. Besagter Besitzer taucht kurze Zeit später tatsächlich auf und wir dürfen unser Zelt irgendwo auf dem wirklich sehr grossen Platz aufstellen und das Finanzielle am Morgen erledigen. Mit dem Zelt sind wir mittlerweile überall die einzigen auf den Campingplätzen, mit den Rädern sowieso und auch sonst treffen wir nur noch auf wenige Urlauber. Wieder einmal sind wir froh, um die grosszügige Küche, denn kurz nachdem unser Zelt steht, beginnt es zu regnen.
Auch am Freitag kommen wir trotz gemütlicher und sehr kurzer Strecke nicht vorwärts, wir hängen mit unseren Gedanken noch beim Rallarvegen. Wir wissen, dass das absolute Highlight nun vorbei ist und die Motivation, trotzdem in die Pedale zu treten, ist nicht sehr gross. Wir landen in Stavn auf einem sehr kleinen Campingplatz. Die freundliche Besitzerin spricht sehr gut deutsch (schliesslich hätte sie normalerweise um diese Jahreszeit sehr viele deutsche Touristen, die auf der Rückreise nach Deutschland bei ihr Halt machen) und wir beschliessen kurzer Hand, eines der ca. 7 Hüttchen für diese Nacht zu mieten. Da wir noch relativ früh dran sind, versuchen wir uns als «richtige Camper» (über die wir uns so oft lustig machen…) zu fühlen, setzen uns auf die Veranda vor unsere Hütte und machen nichts. Das funktioniert nicht allzu lange. So gehen wir noch ein bisschen spazieren, beobachten fasziniert wie zwei kleine Kinder die wirklich sehr interessante Strömung im Fluss und schreiben Blog.

Für einmal bleibt das Zelt eingepackt: Unsere Bleibe in Stavn

Am Samstag ist es uns immer noch nicht ums Fahren und hätten wir nicht bereits unser Hotel in Oslo gebucht, wären wir wohl noch einen Tag in unseren Hüttchen geblieben. Vielleicht hätte es ja dann tatsächlich mal ein Pilzrisotto gegeben… So machen wir uns allerdings an eine wieder einmal norwegisch-flache Strecke und den, wie es uns scheint, krassen Anstieg von knapp 200 Höhenmetern. Tja, wie der Kopf das Empfinden beeinflussen kann… Wir landen in Krødere auf einem Terassen-Campingplatz. Terassen, weil die Stellplätze stufenförmig über dem Krøderenfjord aufragen. Hier gibt es anstelle der Rezeption eine Telefonnummer. Der erstaunte Campingplatzwart kommt umgehend mit seinem Golfplatzwägelchen angebraust. Er meinte sich verhört zu haben, dass wir mit den Fahrrädern unterwegs sind.
Sonntags geht es norwegisch-flach weiter. Wir sammeln wieder etwas mehr Höhenmeter. Nicht zum ersten Mal fragen wir uns, ob die wirklich sehr abwechslungsreichen nationalen Fahrradwege in Norwegen aus diesem Grund so selten befahren werden oder ob das eher an Corona oder dem beginnenden Herbst liegt. An diesem Abend stellen wir unser Zelt in Hokksund umgeben von Wohnmobilen und VW-Bussen auf. Wir merken immer wieder, dass wir als einzige mit Zelt und Fahrrad jeweils auf dem ganzen Platz bekannt sind, sprechen uns doch die unterschiedlichsten Leute an. Oft wollen sie wissen, ob wir denn nicht frieren, es sei ja nun wirklich ziemlich kalt. Nein, tun wir nicht, wir sind ja gut ausgerüstet. Oder sie erzählen uns, dass die Ausrüstung der Wohnmobile gewisser anderer Leute schon nicht mehr so viel mit «Camping» zu tun haben. Wir lächeln dann ein bisschen in uns hinein und behalten unsere Gedanken für uns.
Am Montag erwartet uns die letzte Etappe nach Oslo. Sie hat ein interessantes Höhenprofil – flachflachflach eine grössere Steigung und damit natürlich eine Abfahrt in der Mitte, dann wieder flachflachflach. Da wir in eine Stadt hineinfahren, machen wir uns auf eine eher langweilige Fahrt durch viel Agglomeration gefasst. Da haben wir uns zum Glück getäuscht und es erwartet uns eine abwechslungsreiche Strecke. In Drammen lassen wir uns von einer grossen spiegelnden Kugel beeindrucken, aus der auch noch Musik erklingt. Natürlich ergeben sich da auch ein paar interessante Fotos.

In Asker ca. 20km vor Oslo verfährt sich Tinu und möchte nicht, dass Monika dies bemerkt, dreht deshalb eine Runde um den Dorfplatz um ihn «ihr zu zeigen». Leider scheppert es hinter ihm, weil die Fahrkünste von Monika nachlassen und sie ein Bänkli rammt. Man könnte jetzt auch sagen, es war ein bisschen eng dort, aber das wäre dann ein bisschen nicht wahr. Der Aufprall ist so stark, dass die Halterungen der Hintertasche brechen und die Bialetti (die vermutlich einfach wieder einmal ein bisschen Aufmerksamkeit braucht) einen (kleinen) Schranz in die Tasche reisst. Im nahen Sportgeschäft gibt’s keine Ortlieb-Ersatzteile, deshalb laden wir unser Gepäck um. Die Halterung der einen kleinen Vordertasche montieren wir an die kaputte Hintertasche um, die nun halterlose Vordertasche fixieren wir auf Monikas Gepäckträger und der Packsack von Monikas Gepäckträger kommt bei Tinu auf den Anhänger. Tinu fährt nun mit gefährlich hochbeladenem Anhänger, während Monika sich daran gewöhnen muss, vorne einseitig etwas mehr Gewicht auszubalancieren. Diese Beladung begleitet uns zum Glück nur 15km. Tinu hat bereits zuvor ein Fahrradgeschäft mit Ortlieb-Ersatzteilen gesucht, um die Halterung seiner Lenkertaschen zu ersetzen. Wir erweitern den Einkauf um eine neue Halterung für die Hintertasche und können das Gepäck nun wieder etwas fahrbarer verteilen. So kommen wir doch noch einigermassen wohlbehalten bei unserem Hotel an. Wir sind gespannt, wo wir unsere Räder diesmal verstauen dürfen. Der Rezeptionist meint, die Räder in den Keller, der Anhänger, den er bereits durch das Fenster gesichtet hat, hinter die Rezeption. Vor den ungläubigen Augen einer weiteren Angestellten und einigen Hotelgästen, entladen wir unsere Räder mitten in der Hotellobby, zerlegen den Anhänger in seine Einzelteile und packen ihn in Koffergrösse in den Packsack. Die Räder sind zu gross für den Lift, also tragen wir sie in den Keller und sind froh, dass wir sie morgen nicht schon wieder herauftragen müssen.

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