Trotz Gegenwind erreichen wir Dresden am frühen Nachmittag. Da wir zwei Übernachtungen eingeplant haben, sollte uns genügend Zeit bleiben, die geschichtsträchtige Stadt zu besichtigen und unsere weitere Route zu planen. Doch bereits als wir beim Hotel eintreffen, entdecken uns das erste Malheur. Die Deichsel bei unserem Anhänger scheint angebrochen zu sein. Zum Glück früh erkannt, einen Durchbruch bei voller Fahrt wollen wir uns lieber nicht vorstellen. Einmal tief durchatmen und überlegen, wer uns dieses Teil wieder zusammenschweissen könnte. Wir finden das Bikehospital und die lustige Beschreibung auf der Webseite lässt uns dort anrufen („Egal, wo du dein Rad gekauft hast, es sind alle Krankheiten willkommen und wir haben für jedes Zipperlein und auch für schwere Notfälle die passende Medizin“). Der Typ kann uns zwar nicht mit einer Schweissnaht dienen, aber immerhin können wir am nächsten Tag Öl für Tinus leckende Rohloffschaltung holen (Ja, irgendwie will die nicht so recht… Wir hoffen, ein bisschen Flüssignahrung stellt sie vorläufig zufrieden). Wir erweitern unsere Suche und finden ca. 6km elbabwärts einen Schweisser, der, wie er ums erklärt, selbst Freizeitradfahrer ist und für unser Problem eine Lösung finden will. Dazu bestellt er uns am nächsten Morgen um 7.30 in seine Werkstatt.
Somit bleibt doch noch etwas Zeit, die Stadt zu besichtigen. Im Zweiten Weltkrieg wurden grosse Teile von Dresden komplett zerstört und der Wiederaufbau und die Erinnerung an diese Zeit sind immer noch überall erkennbar.
Während unserer Stadtschlenderei wägen wir die Pros und Contras für unsere weitere Routenwahl ab. Grob haben wir drei Möglichkeiten: 1. Weiter Richtung Berlin an die Ostsee, 2. Entlang des Neusse-Oder-Radwegs an die Ostsee oder 3. Quer durchs Land Richtung Lübeck / Kiel. Die beiden ersten Routen würden uns zwar relativ schnell an die Ostsee und damit auf den ursprünglichen Plan, den Iron Curtain Trail (in entgegengesetzter Richtung) bringen, aber wir müssten in Polen und Litauen gut 700km durchs Land fahren, damit wir Kaliningrad umfahren können. Da Polen sowohl was Radwege als auch Corona betrifft nicht ganz unbedenklich ist und es von Kiel eine Fähre nach Litauen gibt, entscheiden wir uns für Variante 3.
Nachdem wir eine Nacht darüber geschlafen, unseren Trailer in aller Frühe geflickt (zum Glück gibt’s im Hostel bereits ab 6.00 Frühstück), uns über die aktuelle Situation informiert und die Routen (inklusive Ersatztag) geplant haben, buchen wir die Fähre Kiel-Klaipéda am 6. August. Nun steht wieder Sightseeing auf dem Programm. Zudem müssen wir einige Dinge ersetzen, die auf unserer Reise an verschiedenen Orten liegen geblieben sind. Bei Kaffee und Kuchen ereilt uns der nächste Schock. Die Berner Zeitung „Der Bund“ schreibt, dass nun auch die baltischen Staaten die Schweiz auf die gelbe Liste gesetzt haben. Länder mit mehr als 16 Infektionen pro 100‘000 Einwohnende während der letzten zwei Wochen (in Finnland sogar 8/100‘000) müssen für 14 Tage in Quarantäne. Der Bund verlinkt veraltete Informationen in seinem Artikel (nämlich die, die wir bei unseren vermeintlich gründlichen Recherchen auch gefunden haben). Nach weiterem Suchen, zig Anrufen beim litauischen Konsulat und nicht viel hilfreicheren Antworten (ist nun die Staatsbürgerschaft oder das einreisende Land für die Quarantäneregelung massgebend und würde es evtl. etwas bringen, wenn wir noch zwei Tage länger in Deutschland bleiben würden, damit wir volle zwei Wochen ausweisen könnten und unser Tschechienaufenthalt uns nicht mehr zum Verhängnis wird…?!) entscheiden wir uns, die Fähre zu stornieren. Dies ist wider Erwarten per Telefon kostenlos möglich. (Vielleicht sind wir bei DFDS bereits von unserer Schottlandtour ROT im System vermerkt… Aber das ist eine andere Geschichte…)
Nach diesem ganzen Frust beschliessen wir, fein Essen zu gehen. Wir haben gestern bereits ein italienisches Restaurant entdeckt, das frische Pasta serviert. Heute sind wir schlauer und reservieren einen Tisch. Als Grund wählt Tinu „romantisches Essen“. Wir sind gespannt, ob von dieser Wahl etwas zu erkennen ist. Ist es nicht. Das Essen ist allerdings mehr als ausgezeichnet und sogar der Wein wird unseren Wünschen gerecht. Die leichtere Person unseres Duos ist sogar der Meinung, dass der Trailerfahrer eventuell ebendiesen holen muss, um sie nach Hause zu transportieren. Man könnte ja dann auch gleich testen, ob der Schweisser gute Arbeit geleistet hat… Der (sehr kurze) Heimweg wird dann doch zu Fuss bewältigt. Da wir zum ersten Mal im Lokal sind, gibt es noch 2 Portionen frische Spaghetti zum Mitnehmen. Für unser Nachtessen morgen ist also schon vorgesorgt. Das MammaMia in Dresden können wir allen Pasta-Liebhaber*innen wärmstens empfehlen.
Unsere geplante Route von Dresden nach Kiel bleibt vorerst bestehen und wir machen uns morgen in relativ grossen Etappen auf an die Nordsee. Was uns danach erwartet, ist wieder einmal ungewiss, aber das ist ja schliesslich das Motto unserer Reise…
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Eine Antwort auf „28./29. Juli Dresden – oder alles geht schief“
Danke für eure Berichte und Fotos! Sie sind für mich spannend und auch unterhaltsam.
Die Umstände mit dem Virus sind ja wirklich nicht einfach und ändern ständig. Ich wünsche euch weiter viel Glück, auch für „die Räder“.
Liebe Grüsse aus der Heimat.
Christine
(Mutter von Martin)