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Norwegen

18. – 21. August – Lunde – Stavanger oder eine Schlafbox und viiiel Regen

Vielleicht ist den aufmerksam Lesenden aufgefallen, dass unserem letzten Titel im Text nur halbwegs Rechnung getragen wurde. Irgendwas war doch da, mit Halbzeit vorbei. Wir holen dies nun nach. Auf unserer mässig erfolgreichen Pilz- und Beerensuche in Lunde haben wir uns nämlich zum ersten Mal ernsthaft darüber unterhalten, wann und wie genau wir denn zurückreisen wollen. Dank Corona und gewissen Einreise- / Quarantäneregeln wird dies vermutlich nicht so spontan möglich sein, wie unsere bisherige Planung. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema… Wir haben nämlich festgestellt, dass bereits die Hälfte unserer Reise vorbei ist. Sechs Länder haben wir mittlerweile besucht, zum Teil sind wir mehr hindurchgerast. Dies ist in Norwegen eher schwieriger und wir haben in den nächsten Wochen noch viel Zeit, in gemächlicherem Tempo die eindrückliche Landschaft zu geniessen.

Traumlandschaft in Norwegen

Nun aber zum eigentlichen Thema dieses Beitrags. Am Dienstag schwingen wir uns nach drei ruhigeren Tagen wieder auf die Sättel. Zu Beginn recht gemütlich dem Ufer des Telemarkkanals entlang, mit vielen Richtungswechseln, um die ganzen Einbuchtungen herum. Am Nachmittag verlassen wir den Kanal für eine Weile. Es geht in die Höhe – auf ganze 380 M.ü.M. 😀 Dafür erwartet uns zum Schluss eine tolle Abfahrt, etwas, das wir in Deutschland und Dänemark vermisst haben. Die Bremsen halten noch und so landen wir unbeschadet bei unserem speziellen Nachtlager. In einem alten Bootshaus – wiederum am Telemarkkanal – wurde kurzerhand eine Holzbox mit vier einfachen Betten hineinmontiert, die relativ günstig gebucht werden können. Da sich das Bootshaus in Bandaksli befindet, taufen wir das Gebilde Bandaksli-Böxli.

Bandaksli-Böxli

Es gibt sogar Tisch und Stühle und so packen wir nach dem Kochen unsere Spielesammlung aus und spielen im Bootshaus bis sogar unsere Solarlampe nicht mehr genug Licht spenden mag.

Am Mittwoch wird das Tempo gezwungenermassen noch einmal etwas gedrosselt. Kaum vorstellbar, aber nach ca. vier Wochen erreichen wir heute erstmals wieder mehr als 800 M.ü.M und das Höhenprofil bei Komoot zeigt nicht mehr durchwegs grün (=wenig Steigung) an. Wir freuen uns auf diese „Bergetappe“. Ein steiler Anstieg vor dem Mittag, „norwegisch flach“ (unser Name für Strecken, die zwar im Höheprofil bei der Planung harmlos aussehen, schlussendlich aber nie wirklich flach sind, nur die Steigungen sind kürzer) zwischen 640 und 830 M.ü.M. am Nachmittag und zum Schluss eine rasante Abfahrt auf den Flateland Camping. Dieser und ähnliche Namen seien in der Gegend in den Tälern ziemlich üblich. Der Campingplatzbesitzer interessiert sich für unsere Reise, verkauft uns Geisskäse, den seine Frau gemacht hat und in seinem Campingshop finden wir mehr økologisk Lebensmittel als in manchem Supermarkt. Da die Hauptsaison vorbei ist, hat es fast keine Leute mehr und der Campingplatzchef meint: „Es dürfen ja eh fast nur noch die deutschen Touristen rein.“ Kurz, wir haben mal wieder einen tollen Platz gefunden. Gerade als wir all unsere Kochutensilien auf einem Tisch bereitgestellt haben und 200m weiter vorne Wasser holen, überrascht uns ein Platzregen. Trotz Spurt können wir unsere Sachen nur noch nass ins Zelt retten. Wir lassen den Regen vorüberziehen und schaffen es in einer Regenpause draussen zu kochen und zu essen. Andere haben weniger Glück und kochen später unter dem Regenschirm.

Lustiger Name für einen Campingplatz nach einer Etappe mit über 1200 Höhenmeter…

In der Nacht gibt’s noch ein paar Schauer, aber wir starten trocken in den Donnerstag. Der Tag beginnt auch auf dem Velo gemütlich. Gut 20km „rasen“ wir (weil abwärts und mit Rückenwind) ins verlassene Touristendorf Valle. Hier füllen wir unseren Proviant und machen uns an die nächsten 20km, in denen wir in dreimal so viel Zeit wieder eine ganze Menge Höhenmeter sammeln. Zur Mittagszeit finden wir einen interessanten Platz. Auf 1000 M.ü.M. reiht sich Garage an Garage – über 100 Stück. Wir finden heraus, dass in jeder Garage genau ein Schneetöff gelagert wird, die im Winter hier gemietet werden können. In einem Holzhäuschen entdecken wir zwei Stühle und geniessen umgeben von Garagen und Schafen unser Mittagessen.
Kurz vor der Abfahrt heisst es dann Regenkleider anziehen. Auf der nassen Strasse können wir die steile Abfahrt nicht wirklich geniessen und sind froh, als wir unten sind. Triefend nass klingeln wir beim Campingplatz. Ein junger Mann öffnet die Tür zu einer Rezeption, die eher wie ein Wohnzimmer aussieht. Zu gerne würden wir es uns vor dem Fernseher auf dem Sofa gemütlich machen. Aber nein, wir suchen uns auf dem Feld eine Fläche ohne 10cm tiefen See und bauen im grössten Regen unser Zelt auf. Eine halbe Stunde später hört der Regen dann auf… Unsere Suche nach einem Tisch zum Kochen bleibt erfolglos. Der junge Wohnzimmerrezeptionist meint, er und sein Bruder hätten den Campingplatz erst übernommen und es sei noch ganz vieles in Planung. Er zeigt uns einen Tisch in ihrem Garten, den wir brauchen dürfen.
Am Freitag steht uns die Königsetappe bevor. Der Regen hält sich zurück, bis zum Zeitpunkt, als wir unser Zelt zusammenpacken wollen und so schleppen wir im Zeltsack noch einiges an Zusatzgewicht in Form von Wasser mit. Trotz Regen geniessen wir die wundervolle Landschaft oben in den Bergen.

Allerdings bleibt es nicht nur beim Regen. Plötzlich – wir sind fast am höchsten Punkt auf ca. 930 M.ü.M. – blitzt es und es sind ganz in der Nähe Donner zu hören. Dieses Grollen weckt neue Kräfte in Tinu, noch nie hat ihn jemand so schnell den Berg hoch pedalen sehen. Ein Unterstand ist weit und breit nicht zu sehen und so fahren wir ohne grössere Pause bis zum Restaurant Øygardstølen. Dieses Restaurant ist Ausgangspunkt für die Wanderung zum berühmten Kjeragbolten. Das Wetter nimmt uns die Entscheidung ab, diesen zwischen zwei Felsen eingeklemmten Stein zu besuchen oder nicht. Der Parkplatzwärter fragt trotzdem, ob wir wandern gehen. Sein Kommentar auf unsere ablehnende Antwort: „Smart!“. Er will wissen, woher wir sind und wie wir später feststellen, sind wir bei den Mitarbeitenden wohl Thema des Tages. Das Øygardstølen ist direkt am Felsrand gebaut. Von hier geht es 640m senkrecht hinunter zum Lysefjord.

Das Restaurant – von unten gesehen

Auch auf der anderen Seite ist dieser Fjord von einer ähnlichen Felswand umgeben. Uns bleibt deshalb nur die Fähre und noch gaaanz viel Zeit, bevor diese fährt. Wir machen es uns im Restaurant gemütlich, lassen unsere Kleider trocknen und beobachten das wechselhafte Wetter. Regen, Sonnenschein, Regenbogen, (Sturm-)Windböen… Die 640 Höhenmeter hinunter zum Lysefjord erwarten uns auf einer Strecke mit insgesamt 27 Kurven – inkl. Kehrtunnel.

Die ersten paar der 27 Kurven
Kurvendschungel…

Diese tolle Abfahrt möchten wir nicht unbedingt im Regen fahren. Als wir uns entscheiden aufzubrechen, meint ein Typ am Nebentisch, wir sollen noch eine Weile warten. Er hat recht, es schüttet und windet noch einmal so richtig. Schlussendlich fahren wir zwar trocken, aber leider nicht allzu rasant auf Meereshöhe hinunter. Die Fahrt durch den Lysefjord ist einmal mehr etwas, das Norwegen auf unserer Lieblingsländerskala nach vorne rutschen lässt.

Unsere Fähre durch den Lysefjord
Auch sie haben eine Pause verdient!

Leider fährt die Fähre heute nur bis Larvik, deshalb erwarten uns noch einmal 40km auf dem Rad bis Stavanger. Wir müssen ziemlich in die Pedale treten, da wir vor 20.00 Uhr im B&B in Stavanger ankommen müssen. Wir sind es uns schon gar nicht mehr gewohnt, aber die Strecke ist mehr oder weniger flach und wir schaffen es problemlos (mit Unterstützung des Windes) zeitig nach Stavanger. Die Rezeptionistin ist ziemlich gesprächig und wir erfahren diverse Interna zum Umgang mit dem Coronavirus und Gästen, die nicht mit Karte bezahlen wollen. Einen Fahrradplatz gibt es beim B&B nicht, wir dürfen aber unsere Räder ins alte Büro stellen, das brauche sowieso niemand mehr. Dank guten Restauranttipps unserer Rezeptionistin finden wir nach diesem langen, abwechslungsreichen und äusserst eindrucksvollen Tag sogar innert kürzester Zeit ein tolles Restaurant.

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