Am Freitag entscheiden wir uns also ausnahmsweise etwas früher vom Rad zu steigen und machen beim schnuckligen Minicamping in Mestad kurz vor Evanger Halt. Über diesen Campingplatz haben wir bereits gelesen. Der Besitzer kommt ein- bis zweimal pro Tag vorbei um die Kosten einzuziehen und zu putzen. Verpasst man ihn, gibt es ein Kässeli, in das der sehr faire Beitrag gelegt werden kann. Die Idee gefällt uns und wir bauen unser Zelt auf der kleinen Wiese auf. Das Paar im Wohnmobil, das wenig später auftaucht, findet an dieser Art Campingplatz weniger Gefallen, entscheidet sich aber nach eingehender Diskussion dennoch zu bleiben. Tatsächlich tauchen nun nach und nach noch weitere Gäste auf. Direkt neben unserem Zelt stellt ein Motorradfahrer sein altes Hillebergzelt auf. Natürlich kommen wir da schnell ins Gespräch (wir sind gespannt, ob unser Zelt in 20 Jahren immer noch mit uns unterwegs ist). Der Nachbar heisst Tommy und ist für sechs Wochen mit dem Motorrad in Norwegen unterwegs, immer Richtung Norden, wohin es ihn gerade treibt. Mit Geschichten aus seinem Leben verbringen wir einen unterhaltsamen Abend. Und wer weiss, vielleicht haben wir Comundo dabei eine neue Fachperson vermittelt…
Am Samstag haben wir nur die 25km lange Strecke nach Voss vor uns. Wir lächeln über die Komootmeldung, die Steigung betrage etwas mehr als 300 Höhenmeter, bis jetzt waren es meistens weniger als angegeben. Das Lächeln vergeht uns relativ bald. Nichts da, mit einer schnellen Fahrt nach Voss. Der Velocomputer von Monika zeigt Steigungen bis zu 17% an und für einmal hat Komoot recht gehabt. Unsere Beine sind auf eine entspannte Fahrt eingestellt und so ist die Stimmung auf dieser Strecke Sinnbild für die Stimmung an diesem Wochenende. Beim Zmittag am See in Voss machen wir eine Bestandsaufnahme: Das (vor der Tour neugekaufte) Mätteli von Tinu verliert beständig Luft und die Deichsel des Anhängers ist bereits zum dritten Mal wieder eingerissen (jaja, wir haben nach Dresden auch in Norwegen bereits einen Schweisser aufgesucht). Unseren Plan, den Rallarvegen mit Schotterstrasse und wildcampen zu befahren können wir so vorerst vergessen. Ein Schweisser ist zwar schnell gefunden, aber am Samstagnachmittag lässt sich nichts mehr machen. Wir buchen also gezwungenermassen drei Nächte in Voss und hoffen, dass wir am Montag einen hilfsbereiten Schweisser finden. Das Mätteli flicken können wir auch selber, schliesslich könnten wir auch einen Pneu flicken, wenn wir denn mal einen Platten hätten (klopfklopf). Tatsächlich steigen im See Luftblasen von der Matte auf. Mit dem Flickzeug ist das Loch schnell geflickt. Ein Problem gelöst – denkste! Eine halbe Stunde später hat die Matte bereits wieder Luft verloren. War die Stimmung zuvor gegen Null, ist sie jetzt unter dem Gefrierpunkt.
Die TiMonTour-Hälfte mit dem ganzen Mätteli macht sich auf zum Kochen und freut sich auf ein Mise en place in der topmodernen Campingplatzküche. Aber was ist denn das?! Induktionsplatten auf dem Campingplatz? Zum Glück wurden nicht alle alten Geräte entsorgt, denn das Problem mit den nicht induktionstauglichen, dafür ultraleichten Campingpfannen haben nicht nur wir. Aber auch das Chili con Carne kann die Laune nicht wirklich heben, mittlerweile hat Tinus Mätteli bereits vier Flicken und verliert immer noch Luft.

Das Rascheln, das Monika in der Nacht weckt, stammt allerdings nicht von Tinus Mätteli. Da muss sich irgendein Tier vor oder in unserem Zelt befinden. Wir beobachten gespannt unser Vorzelt. Zwischen den Velotaschen bewegt sich tatsächlich etwas. Kurz darauf streckt ein Igel seine Nase hervor und krabbelt aus dem Gewühl an Packsäcken und Kleidern. Vor Schreck wählt er die falsche Richtung und es kostet uns einige Mühe, ihm das Zelt so zu öffnen, dass er wieder rauskriechen kann.

Für den Sonntag haben wir etwas Abwechslung gebucht. In Voss gibt es unzählige Outdooraktivitäten und da Tinu der Meinung ist, einmal im Leben müsse auch Monika River raften, geht es heute auf den Raundalen-Fluss. Die Sonne zeigt sich noch einmal von ihrer schönsten Seite und die drei Guides sind in bester Stimmung. Ob das am Wetter oder am Sonntagmorgen (oder sogar noch am Samstagabend?) liegt, ist nicht so klar. Wir verbringen einen tollen Vormittag auf und im Fluss und versuchen uns sogar beim Klippenspringen. Dieser Ausflug hat sich definitiv gelohnt.




Zurück auf dem Campingplatz lernen wir ein junges deutsches Paar kennen. Die beiden haben gerade die Schule abgeschlossen und sind nun vier Wochen mit dem Fahrrad unterwegs. Ihre Planungszeit war relativ kurz und die Ausrüstung entsprechend dürftig. Wir staunen und bewundern, wie die beiden unterwegs sind und erinnern uns daran, dass wir auch einmal mit nur vier Taschen unterwegs waren. Auch die beiden werden zurzeit vom Pech verfolgt. Nach einigen platten Reifen und entsprechend Verzögerung, haben sie beschlossen, am Montag mit dem Zug Richtung Oslo zu fahren.
Wir machen uns am Montagmorgen mit unserem Anhänger auf ins Industriegebiet. Nach längerer Suche nach einem Eingang findet Tinu in den Büroräumen einen Mann, der unser Problem sofort versteht. Nachdem wir dem Mann von unserer Reise erzählt haben, meint er grinsend, dass der norwegische Sommer nun vorbei sei. Und damit könnte er recht haben, in der Nacht ist es bedeutend kälter und auch am Tag, wenn die Sonne nicht scheint, brauchen wir eine Schicht Kleidung mehr. Wir lassen unsere Telefonnummer und den Anhänger bei der Werkstatt und hoffen auf eine Nachricht am Nachmittag. Das Wetter ist nämlich der Hauptgrund, weshalb wir am Dienstag unbedingt weiter wollen. Für den Rallarvegen (mehr dazu im nächsten Beitrag) brauchen wir nebst einem intaktem Anhänger auch gutes Wetter und dieses soll noch bis Donnerstagmittag halten. Ah ja und ein Mätteli ohne Löcher wäre auch von Vorteil und weil sich das Löcherflicken weiter als Sisyphos Arbeit erwiesen hat, ist unser nächste Halt ein Sportgeschäft. Wir merken sofort, dass die Sommersaison vorbei ist. Die Auswahl an Matten ist sehr beschränkt und die Verkäuferin wickelt lieber Seile auf, als uns zu beraten. Im zweiten Geschäft haben wir mehr Glück und Tinu schläft von jetzt an hoffentlich nicht mehr auf dem Boden. Hungrig von so viel Shopping decken wir uns mit Lachs und Gemüse ein und hoffen noch im Geschäft, das Bild in unserem Kopf vom Backofen in der Campingküche sei keine Fatamorgana. Wir haben es mit der eingekauften Menge ein bisschen übertrieben und da trifft es sich gut, dass wir auf dem Camping wieder auf das deutsche Pärchen treffen. Weil die Fahrradplätze in ihrem Zug ausgebucht waren, konnten sie nicht nach Oslo fahren und müssen noch eine weitere Nacht in Voss bleiben. Sie kugeln sich vor lachen, als wir ihnen anbieten, mit uns zu essen, da sie schon lange kein solches „Gourmet-Menu und das auf einer Fahrradtour“ mehr gehabt hätten. Und siehe da, Kochen und Essen dient doch noch als gute Laune Medizin. Je länger sich der Nachmittag hinzieht, desto unruhiger werden wir, weil wir noch keine Nachricht von der Schweisserei erhalten haben. Als Tinu anruft, ertönt die Nachricht, dass das Geschäft geschlossen sei. Wir stürzen uns auf unsere Räder und fahren zu der Werkstatt. Vor der Türe steht, wie wir ihn verlassen haben, unser Anhänger. Fast wie wir ihn verlassen haben. Denn die Deichsel ist wieder montiert, der Riss geflickt und sogar der Schnellspanner neu geölt. Weit und breit ist niemand zu sehen und die Türe zum Empfang ist abgeschlossen. Wir sind ein bisschen verunsichert, was wir nun tun sollen, als sich plötzlich ein Fenster öffnet. Der Mann vom Vormittag streckt den Kopf hinaus und fragt, ob mit dem Anhänger etwas nicht in Ordnung sei. Er ist erstaunt, dass wir keine Nachricht erhalten haben, denn er habe diesen Auftrag so in die Werkstatt gegeben. Bezahlung will er allerdings keine, nicht einmal etwas fürs Kafikässeli dürfen wir dort lassen. Wir freuen uns über diese unglaubliche Hilfsbereitschaft. Nun steht dem Rallarvegen nichts mehr im Wege!
